Bremen im Chill Out

■ Es ist still geworden um die einst innovative Drogenpolitk Bremens. Heute reicht es noch nicht mal mehr für die Beteiligung am Bundesprojekt kontrollierte Heroin-Abgabe

Hamburg und Frankfurt machen mit. Klar. Auch Hannover oder Bonn gehören zu den Modellstädten, die ab Februar 2002 Heroin abgeben werden. Aber Bremen? Nicht mal wirklich diskutiert wurde das hier, klagt der Landesverband für akzeptierende Drogenarbeit (akzept). „Wir haben uns eben entschieden, die Ergebnisse dieses Modells in den anderen Städten abzuwarten“, verteidigt Gert Schöfer, Referatsleiter für Drogenpolitik, die bremische Zurückhaltung.

Ausgerechnet Bremen. Dabei war Bremen doch mal Vorreiter in Sachen Drogenpolitik. Heute aber hat erstens „die große Koalition in der Drogenpolitik eine andere Sichtweise“, sagt Schöfer. Zweitens müssen die Länder die Umsetzung des Modellversuchs selbst bezahlen. „Sündhaft teuer“ wäre so was, und das „würde unser Drogenhaushalt gar nicht hergeben.“ Also Ende der Diskussion, bevor sie wirklich angefangen hat. Dabei würde die kontrollierte Heroin-Abgabe schätzungsweise bis zu 100 Bremern helfen können, mutmaßt akzept. Die Behörde geht sogar von bis zu 200 Schwerstabhängigen aus. (Siehe Interview) Das Modellprojekt soll denen helfen, die mit der Substitution nicht klar kommen sowie die Beschaffungskriminalität senken. „Heroinabgabe ist Prävention“, sagt klipp und klar ein Arzt mit langjähriger Erfahung in der Methadonabgabe. Weil Heroin kaum „toxisch“ sei, wäre die Abgabe gesundheitspolitisch und eben auch sicherheitspolitisch geboten.

Aber was hat eine Modellstadt wie Hannover, was Bremen nicht hat? Nicht viel, wissen Claudia Barth und Rikus Winsenborg von akzept. Für sie ist klar: „Die Drogen-Szene in Bremen ist nicht so unterschiedlich im Vergleich zu denen der meisten anderen Großstädte.“ Wohl aber die Abwehr-Haltung in der Politik. „Bremen klinkt sich seit Jahren massiv aus“, monieren die Expertinnen.

Früher, vor 15 Jahren, galt Bremen als Pionier in der Drogenpolitik. Bremen führte das Nachtangebot für drogenabhängige Prostituierte ein, außerdem einen Bus als niedrigschwelliges Angebot. Andere Städte kamen und guckten – damals. Heute haben zum Beispiel Hamburg und Frankfurt so ein Angebot. „In Bremen aber ist man längst zurückmarschiert“, bedauern Barth und Winsenborg. „Nachdem der Drogenstrich im Viertel zerschlagen wurde, brauchten wir das Nachtangebot und den Bus nicht mehr“, argumentierte die Behörde.

Erst letztes Jahr hat Bremen per Stimmenthaltung im Bundesrat die Zulassung von Fixerstuben verhindert. Solche Drogenkonsumräume gibt es inzwischen in fast allen größeren Städten – auch in CDU-regierten. In Bremen dagegen hat sich selbst die SPD dagegen ausgesprochen. „Von den Konservativen ist die SPD-Linie da kaum noch zu unterscheiden“, klagt Barth. In den Reihen der Partei mache sich die Überzeugung breit, „die Abhängigen sind doch selber schuld“.

Neben der Ideologie sind die Finanzen in Bremen meist das nächste Argument. Zwei Stellen wurden den Projekten in diesem Jahr gestrichen, die Zuwendungen in der Drogenpolitik sind strikt gedeckelt, und schon durch Tarifsteigerungen wird das Geld knapper. „Über Angebote muss man oft nicht mehr reden, weil kein Geld da ist“, so die Erfahrung von akzept. Offiziell behaupte man dann einfach, dass es überhaupt keinen Bedarf gebe.

Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD) setzt vor allem auf Prävention, Hilfe und Repression. 4.500 Konsumenten zählt die Behörde in Bremen. Viel hat sich in den letzten Jahren daran nicht verändert, vielleicht seien es „ein bisschen weniger geworden“, schätzt Schöfer.

Dorothee Krumpipe