Telepathie per Radio

■ Das „Freie Sender Kombinat“ widmet sich der Gedankenübertragung via UKW

Sind es ferne, gestaltlose Mächte, die ohne unser Wissen oder gegen unseren Willen unsere Leben steuern? Ist das Radio ihr machtvollster, weil oberflächlich so harmlos klingender, tönender und rauschender Agent?

Manche Phänomene des Mediums legen solche verschwörungstheoretischen Schlüsse nahe: Psychoakustiker versuchen der Radiowerbung mit plumpen oder gefinkelten Tricks subliminale Wirkungen zu verschaffen, Rundfunksta-tionen ziehen Klangingenieure zu Rate, um ihren Moderatorinnen und Moderatoren unverwechselbare stimmliche Signaturen zu generieren, Autoradios werden ferngesteuert lauter, sobald die Staumeldungen durch den Äther eilend ihre stillgestellten Opfer suchen. Offenbar kann das Radio doch mehr sein als bloß der Hintergrundsound der Alltage.

Aber wie funktionieren diese Steuerungen und Beeinflussungen? Klären lässt sich das bevorzugt empirisch; und nachdem sich aus naheliegenden Gründen weder der öffentlich-rechtliche noch gar der private Rundfunk zu den entsprechenden Untersuchungen bereitfindet, bleibt die Arbeit wieder am Freien Radio hängen. Nachdem sie schon seit Jahren mit Hilfe der Telefonie das FSK-Sendestudio bis in die Wohnzimmer ihrer Hörerinnen und Hörer ausdehnte, lässt Lignas Music Box am Sonnabend im Rahmen der Reihe puzzelink_evidenz.4 das Zeitalter der radiogestützten Telepathie beginnen. Für Radioglaz, ihre Revue vergessener Kommunikationstechniken, konnten sie mit Christian Hein einen Insidern wohlbekannten Telepathen aus Köln gewinnen, seine Fähigkeiten vor offenem Mikrophon zu erproben. Er wird allerdings nicht reden, sondern schweigen – und denken: Jeweils einige Minuten lang fokussiert er sein Bewusstsein auf je einen Gegenstand, ein Bild und eine Zahl. Der Empfang seiner Gedanken soll mit einem handelsüblichen Radio möglich sein; doch um die effektivsten Übertragungswege zu erforschen, hat Lignas Music Box zudem noch ein Telektrodyn-Interferenz-Gerät konstruieren lassen, das den vor Ort Anwesenden zur Verfügung steht.

Doch gleich, ob man sich im Karoviertel, im Stau oder zu Haus mit konzentrierter Entspannung der Sendung hingibt: Die Gruppe lädt ein, im Anschluss an die Übertragung mitzuteilen, was empfangen wurde. Jenen, die sich als mentale Radios am genauesten auf Heins Wellenlänge einstellen konnten, winkt ein Preis; allen anderen der Gewinn, eine Ahnung von den schlummernden eigenen medialen Fähigkeiten bekommen zu haben.

Friedrich Tietjen

Sonnabend, 20 Uhr, FSK (93,0/101,4 MHz) oder vor Ort in der Galerie M6, Marktstraße 6