piwik no script img

Salü, Piratensender

Roger Schawinski ist der erste Radiopirat der Schweiz und Gründer des ersten Privatfernsehens. Nun muss er als einer der Ersten seine Sender verkaufen – wegen restriktiver Vorschriften des Bundes

von KARIN WENGER

Als 1979 die ersten illegalen Radiowellen vom hohen Pizzo Groppera über die halbe Schweiz schwappten, brach Begeisterung im Völkchen aus. Bis dahin konnte man nur die Signale der Schweizerischen Radio Gesellschaft (SRG) empfangen, fundiert recherchiert zwar, aber auch reichlich konservativ.

Mit seinem Piratensender Radio 24 kündete Roger Schawinski dem Monopol der SRG den Kampf an, und die Bevölkerung unterstütze ihn mit 200.000 Unterschriften. Vier Jahre später zog der Vollblutjournalist mit seinem erkämpften Radio nach Zürich – im Sack hielt er die Konzession für das erste Schweizer Lokalradio. Damit nicht genug. Nach einem Fehlversuch mit dem Klassiksender Opus stellte sich Schawinski 1994 vor die Kamera seines Regionalfernsehens Tele Züri. Auch diesmal war er der Erste. Nach Tele Züri folgte 1998 das erste Deutschschweizer Privatfernsehen Tele 24.

Doch nun, 22 Jahre nach der ersten Kampfansage, ist Schluss für den Medienmann. Die Geldbeutel sind leer. Nach langem Kampf mit den roten Zahlen verkauft Schawinski seinen Fernsehsender Tele Züri und den Radiosender Radio 24 für 120 Millionen Mark an die Tamedia, die auch im Besitz des Tagesanzeigers ist. Die Rechte für Tele Züri behält sich „Schawi“ aber vor: Er hofft auf bessere Zeiten für Privatfernsehen.

Mit der Einstellung der Sender geht nicht nur ein Stück Schweizer Mediengeschichte zu Ende, sondern es stellt sich generell die Frage nach den Chancen von privaten Sendern. Wie in Deutschland erhalten die Privaten in der Schweiz keine staatliche Unterstützung, sondern überleben einzig durch Werbeeinnahmen oder beschränkt erteiltes Gebührensplitting.

Alkoholwerbung verboten

Das Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) der Schweiz hat jedoch restriktive Werbevorschriften: Alkoholwerbung ist nicht erlaubt, in sich geschlossene Sendungen dürfen nur unterbrochen werden, wenn sie länger als 90 Minuten dauern. „Einzig wer einen langen Atem hat, kann im Bereich der Privaten überleben“, sagt Roberto Rivola, Medienverantwortlicher vom Bundesamt für Kommunikation. Und da den meisten bereits von Beginn an die Puste fehlt, existiert in der Schweiz neben einer Hand voll Lokalsender und dem sterbenden Tele 24 nur gerade TV3 als einziger überregionaler Privatsender – auch er gehört der Tamedia. Und sein Überleben verdankt er der Containersendung „Big Brother“. Durch den Geldmangel fehlt es auch an der nötigen Qualität. Durchs Schweizer Programm der Privaten zu zappen heißt, sich von einer Talkrunde in die nächste hangeln. Kein Wunder, dass da viele Zuschauer auf die deutschen Kanäle ausweichen. Tele 24 wollte sich von diesem Unterhaltungseintopf abheben und der SRG mit eigenen Newsprogrammen die Stirn bieten. Damit erreichte Schawinski aber nie die Qualität des Schweizer Fernsehen DRS, dafür den Rand der finanziellen Möglichkeiten: Ein sich wiederholendes zweistündiges Programm mit stündlichen News, den Rest füllte der Fernsehmann mit aggressiven Talks oder Boulevard. Auf dem Talksofa wurde über so wichtige Fragen wie „Hemdenservice – wie muss man selber nichts mehr tun?“ diskutiert. Reportagen lieferten nur die ständig gestressten VJs, echte Filme konnte sich weder Tele 24 noch Tele Züri leisten.

Für den Untergang macht Medienmann Schawinski letztlich vor allem die restriktiven Vorlagen und die ungerecht verteilten Mittel des Bundes verantwortlich: „Die Schweiz isoliert sich mit der permanenten Schützung und Bevorzugung der SRG. Gerade in einem kleinen Markt müssen die Privaten gefördert werden“, sagte er diese Woche auf einer Pressekonferenz in Zürich.

Der zuständige Bundesrat Moritz Leuenberger sieht sich aber nicht verantwortlich für das Schicksal der Privaten, sondern setzt sich vor allem für eine starke Grundversorgung der SRG ein, die in der Schweiz liebevoll „service public“ genannt wird. Die Bedingungen der Privaten fallen dagegen merklich unfair aus. Für deutsche Werbefenster in Sendern wie Pro7 oder RTL, die auch in der Schweiz empfangen werden können, gelten die schweizerischen Werbevorschriften, die Alkoholwerbung verbieten, nicht. Auch von der Milliarde Schweizer Franken, den staatlichen Subventionen für die SRG, sollen die Privaten weiterhin keinen Rappen sehen.

Freiheit fürs Privat-TV

Mit der bevorstehenden Revision des RTVG will der Bund den Privaten mehr Freiheiten gewähren. Die neue Fassung sieht Lockerungen im Bereich der überlebenswichtigen Werbevorschriften vor, so sollen Werbeunterbrechungen künftig erlaubt sein. Die Mühlen in der Bundeshauptstadt Bern mahlen aber langsam, eine neue Fassung soll frühestens im Jahr 2004 in Kraft treten. Der Pionier Schawinski könnte sich dann auch eine Rückkehr ins TV-Geschäft vorstellen. Doch wer weiß, ob er bis dahin nicht ein anderes Rampenlicht gefunden hat. Zurzeit schreibt der 56-Jährige an einem Buch, das mittelalten Geschäftsmännern Lebenshilfe geben soll. Und zwischen die Seiten will er angeblich den intellektuellen Inhalt pfropfen, den man in seinen Medien allzu oft vermisst.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen