Wir entscheiden, wen ihr wählen wollt!

Schauen Sie sich diese Männer genau an. Diese beiden werden in den nächsten acht Wochen Berliner Briefkästen mit ungewünschten Broschüren verstopfen, das Fernsehprogramm mit Wahlwerbung stören und Mitarbeiter rausschicken, die den Passanten auf der Straße auflauern. Alles nur, damit ihr Auftraggeber Regierender Bürgermeister bleibt oder wird. Michael Donnermeyer (41) macht den Wahlkampf für Amtsinhaber Klaus Wowereit (SPD), Axel Wallrabenstein (37) berät den Herausforderer Frank Steffel (CDU).Vorgestellt von ROBIN ALEXANDER

Wer ist Michael Donnermeyer?

Besuchen wir ihn mitten unter seinen Arbeitgebern: Beim Parteitag der SPD steht ein jungenhaft wirkender 41-Jähriger in Jackett und Jeans hinter den Delegierten, die Klaus Wowereits Vorstellungen für ein Wahlprogramm lauschen. Er freut sich, dass die Versammlung in einem teuren Hotel in der Friedrichstraße ohne Zank, Streit und kontroverse Debatten über die Bühne geht. Geschlossen wie nie präsentiere sich die Berliner SPD, sollen die Journalisten später schreiben, die zahlreich durch den Saal stromern. Zur Sicherheit sagt Donnermeyer ihnen das natürlich noch einmal, wenn sie ihn auf ein paar Worte unter vier Augen zur Seite nehmen.

Nicht nur Presseleute, auch Genossen sprechen Donnermeyer an. „Du“, sagen sie, „ich will mitmachen, wo kann ich mich melden?“ „Super, Horst, wir treffen uns nachher alle in Raum 21.“ So einen wie Donnermeyer mögen sie hier: Seit 1990 ist der gelernte Journalist aus Westfalen in der Berliner SPD aktiv, lange genug, um ein nettes bisschen Stallgeruch angenommen zu haben, aber ganz ohne Mauermief. Einer von uns und gleichzeitig einer von ganz oben. Als Büroleiter von Franz Müntefering, dem mächtigsten Apparatschik der SPD, gilt Donnermeyer als ein ganz Wichtiger und Cleverer, der in der legendären Kampa half, Gerhard Schröder zum Kanzler zu machen.

Was ist jetzt sein Job?

Die Ausgangslage ist paradox: „Wir werben für einen Wechsel, aber unser Mann ist schon im Amt.“ Ja, es stimmt: Klaus Wowereit ist seit Juni Regierender Bürgermeister von Berlin. Das Problem: Die Leute müssen das auch merken. Zwar kann Bürgermeister Wowereit jetzt Kofi Annan ein schönes Stück Mauer für die UNO schenken oder gemeinsam mit Lea Rosh skandalöse Plakate für das Holocaust-Mahnmal enthüllen. Jenseits von schlichter Repräsentation hat sich Wowereit bisher nur mit Plänen und Absichtserklärungen hervorgetan. „Wowereit muss schon jetzt vorführen, was wir mit unserer Kampagne versprechen“, wünscht sich Donnermeyer vom eigenen Kandidaten.

Wie klappt es bisher?

Höchstens mäßig. Wowereit läuft zurzeit Gefahr, seine Wähler zu enttäuschen, bevor sie ihn überhaupt gewählt haben. Die von Wowereit versprochene Konsolidierungspolitik lässt sich in den wenigen Monaten des Übergangssenats kaum umsetzen. Und im Wahlkampf ist es auch nicht ratsamm Einsparungen konkret anzugehen. Gott sei Dank ist Wowereit Deutschlands erster bekennend homosexueller Spitzenpolitiker. Ohne sein Selbst-Outing wäre das einprägsamste Bild von Wowereit wohl sein Antrittsbesuch bei der chinesischen Pandabärin Yan Yan im Berliner Zoo. Das Coming-out vor aller Welt war nicht geplant, schwört Donnermeyer: „Im Nachhinein muss ich aber sagen: Superstrategie.“ Die SPD müsse auch weiterhin „selbstbewusst bis offensiv“ mit dem Thema umgehen. Donnermeyer: „Lieber mit 90 in der nassen Kurve noch Gas geben, als mit 80 auf 70 runterbremsen und ins Schleudern kommen.“ So ziert alles Wahlkampfmaterial der inhaltsleere Spruch „Und-das-ist-gut-so“.

Was kann Donnermeyer dafür?

Seine Möglichkeiten sind geringer, als sein Ruf als sozialdemokratischer Ober-Spin-Doctor suggeriert. Zwar leistet sich die SPD eine zwanzigköpfige Crew und eine kleine Kampa als Hauptquartier in Berlin-Mitte. Doch um die Verfügbarkeit des Kandidaten Wowereit konkurriert er mit der Presseabteilung der Senatskanzlei. Und auf etwas anderes als Regierungsbonus und Amtsautorität können Donnermeyer und sein junges Team kaum setzen.

Ein charismatischer Redner ist Wowereit nicht. Was er im Amt außer einem ausgeglichenen Haushalt erreichen will, vermittelt er auch nicht. Braucht Wowereit nicht noch eine spezifische Idee? „Wir wollen unseren Kandidaten gar nicht manipulieren, wir bauen nur die Scheinwerfer auf, dass er in gutem Licht dasteht.“ Aber Botschaften, die es nicht gibt, kann man kaum griffig verkaufen. „‚Mentalitätswechsel‘ können wir ja schlecht auf ein Plakat schreiben“, sagt Donnermeyer. „Sparen, sparen, sparen“ auch nicht. Kann man damit in der Subventionsmetropole Berlin tatsächlich Wahlen gewinnen? Donnermeyer verweist auf die hohe Beliebtheit von Bundesfinanzminister Hans Eichel. Aber Gerhard Schöder hat die Bundestagswahl gewonnen, nicht der spröde Hans.

Was denkt er über den Gegner Steffel?

Nichts Schlechtes. Donnermeyer ist klug genug, den Gegner nicht offen anzugehen. Und schon gar nicht einen Gegner, der sich selbst ein Bein nach dem anderen zu stellen scheint.

Und Gysi?

Der kleine Rote mit der flinken Zunge macht Donnermeyer wirklich Sorgen. Soll Klaus Wowereit auf die Altkader und Mauer-Relativierer schimpfen, deren Abgeordnete ihn ins Amt gewählt haben? Oder auf Gysis mangelhafter Sachkompetenz herumreiten? Oder ihn gar mit Stasi-Vorwürfen angehen? Das wäre ganz falsch, weiß Donnermeyer: „Jemand, den 60 Prozent der Leute sympathisch finden, den beschimpfe ich doch nicht.“ Also verzichtet Klaus Wowereit auf alle Attacken und sitzt in Talkrunden schweigend neben Gysi, der fabuliert, die innere Einheit Deutschlands hänge von Senatorenposten für die PDS ab.

Warum wird Donnermeyers Kampagne Wowereit trotzdem den Sieg bringen?

Donnermeyer setzt auf das neue Gesicht. Einige glauben sogar, dies sei der Grund, warum die SPD-Spitze Diepgen durch Wowereit stürzen ließ statt durch den SPD-Landeschef Peter Strieder, der jahrelang im Senat saß. Für die Pleiten der geplatzten großen Koalition kann man Wowereit jedenfalls nicht verhaften. Donnermeyer ist zufrieden: „Alle Umfragen zeigen, die Leute glauben: Der Filz ist bei der CDU. Ob wir auch dabei waren, spielt gar keine Rolle. Die Leute nehmen Wowereit als neuen Mann war.“

Wer ist Axel Wallrabenstein?

Wer ihn als Berater engagiert, der trifft sich nicht mehr in Hotelhallen. Eine Kathedrale aus Chrom, Stahl und Glas ist die „Mercedes-Welt am Salzufer“, und das, was die Berliner CDU zwischen Limousinen und Sportwagen veranstaltet, kann man kaum noch einen Parteitag nennen: Keine Debatten und kein Parteiprogramm, dafür Musik, Luftballons, buntes Konfetti und ein Kandidaten-Videoclip auf einer kinogroßen Leinwand.

Amerikanisierung? „Professionalisierung“, sagt Wallrabenstein: „Phoenix überträgt von 14 bis 16 Uhr. Also ist der Parteitag um 15.58 Uhr zu Ende, damit der Kandidat noch ein Liveinterview geben kann.“ Für das Timing sorgen junge Männer der PR-Agentur Publicis, die über Headphones ununterbrochen Funkkontakt halten und ansonsten unnahbar erscheinen. Wie ihr Chef, der die Show von der Seite beobachtet. Nicht jung, sondern alterslos wirkt der 37-Jährige, kein langer Kerl, aber jeder Zoll durchtrainiert, in schlichtes Designerzeug gehüllt, kahl rasiert, mephistophelisch. Und einen echten Hexer brauchte es auch, damit im Oktober entgegen allen Prognosen doch wieder ein CDU-Politiker ins Rote Rathaus einziehen kann.

Und wer könnte dieses Kunststück fertig bringen, wenn nicht Wallrabenstein, der als Zauberlehrling von Kanzlermacher Peter Radunski lernte? Hier in Berlin hat Wallrabenstein sein eigenes Gesellenstück abgeliefert, als er 1999 den müden Diepgen in den jugendlichen Dauerläufer „Ebi“ verwandelte.

Was ist jetzt sein Job?

„Genau das Gegenteil zu 1999“, meint Wallrabenstein. Diepgen war der ewige Eberhard. Frank Steffel ist der Forsche aus Frohnau. Pure Energie. Sonst nichts. „Für uns ist Steffel nahezu ideal“, sagt Wallrabenstein: „Ein Image hatte er ja noch gar nicht.“

Ein neues Bild erschaffen, statt nur an einem alten herumzupolieren: ein Traum für jeden Werber. Und Steffel ist zudem bereit, aus sich und den Seinen das machen zu lassen, wovon Wallrabenstein glaubt, dass die Wähler es in ihm sehen wollen. Er sei als Jungunternehmer für Werbung prinzipiell aufgeschlossen, freut sich Wallrabenstein, zudem nicht so abgeschirmt wie ein Amtsträger: „Diesen Kandidaten können wir komplett verplanen.“ Ein Problem wird das dann, wenn die Werber ihrem willigen Produkt zu viel zumuten und den Lokalpolitiker übermütig als „Kennedy von der Spree“ verkaufen wollen.

Wie klappt es bisher?

Katastrophal. Eine Panne jagt die andere: Steffel wird als rechter Schulhof-Sprücheklopfer dargestellt und macht alles nur noch schlimmer, indem er tagelang kein klares Wort findet. Frank Steffel sieht aus wie ein Feigling, als er auf dem Alexanderplatz vor Berliner Eiern Schutz hinter dem bayerischen Ministerpräsidenten sucht. Im Bierzelt, erklärt Steffel München zur „heimlichen Hauptstadt“ und zur „schönsten Stadt Deutschlands“. Für Wallrabenstein alles kein Problem. „Die Nummer in München war doch toll: Jetzt kennt Steffel jeder.“

So kann man es auch sehen: Man lacht nur über Leute, die man kennt. „Jemanden, den keiner kennt, kann man auch nicht kompetent präsentieren.“ Für Kompetenz hat Steffel Berater. Eine Menge Berater. Ein Team, größer als der Kader von Hertha BSC, nährt Zweifel daran, dass der Kandidat auch allein Champions-League-tauglich wäre.

Was kann Wallrabenstein dafür?

Auch er hat Fehler gemacht. Seine Idee, die Frau des Kandidaten mit eigenem PR-Berater durch die Medien zu schicken, ist kontraproduktiv: Diese „ausufernde Zurschaustellung von Heterosexualität“ (FAZ) wirkt schrecklich exhibitionistisch und zudem wie ein permanenter Verweis auf die Homosexualität Wowereits. Publicis gelang es nicht nur nicht, die CDU-Pannen glatt zu bügeln, die Agentur produzierte auch noch eigene Fauxpas: Ein nicht genehmigter Nachdruck einer Magazingeschichte, brachte Publicis eine Schadenersatzforderung von 100.000 Mark ein und der CDU wieder einmal hämische Kommentare.

Kein Problem, sagt Wallrabenstein: „Alles, was konträr diskutiert wird, wirkt als Panne, aber genau das brauchen wir, um Frank Steffel bekannt zu machen.“ So gesehen könnte es für Frank Steffel kaum besser laufen.

Was denkt er über den Gegner Wowereit?

Wallrabenstein hält ihn für überschätzt: Vielleicht war „Und das ist gut so“, ja doch zu viel homosexuelles Selbstbewusstsein, „der Tick zu weit, der im bürgerlichen Lager nicht geschätzt wird“. Dass Wowereit für sich in Anspruch nimmt, die personifizierte seriöse Haushaltspolitik zu sein, mag ja den Kommentatoren gefallen, aber den Berlinern? „Mit dem Thema ‚Sparen‘ sind doch schon Walter Momper und Annette Fugmann-Heesing auf die Schnauze gefallen“, richtet sich Wallrabenstein an der Erinnerung an längst besiegte Gegner auf.

Und Gysi?

Hinter Wallrabensteins Schreibtisch kleben zwei Plakate: „SED – Sauber, Ehrlich, Direkt“, dahinter ein großer Staubsauger. Keine Angst: Wallrabenstein plant keine neue Rote-Socken-Kampagne zu Steffels Rettung. Alles nur eine Spielerei für einen Werber-Kongress. Wallrabenstein hat Steffel eingeschärft, Steffel solle nicht die PDS als solche beschimpfen, sondern die SPD wegen ihrer Kooperation mit den Postkommunisten.

Warum wird Wallrabensteins Kampagne Steffel trotzdem den Sieg bringen?

Wallrabenstein setzt auf das neue Gesicht. Einige glauben, dies sei der Grund, warum die Berliner CDU eine Kandidatur Wolfgang Schäubles ausgebremst hat. Für was sollte Steffel nicht alles stehen! Ein „Vertreter einer unglaublich weltoffenen Generation“ (Steffel über Steffel), der als Selfmademan die Wirtschaftskraft Berlins ganz allein verdoppelt. Vielleicht doch ein bisschen viel Image für einen ehemaligen JU-Rambo aus Reinickendorf.