Sogar Apollon ist platt

Mit einem respektablen 1:4 gegen den 1. FC Kaiserslautern endet das Abenteuer des 200-Mitglieder-Klubs Blau-Weiß Brühl, dem ersten Bezirksligisten, der sich für den DFB-Pokal qualifizierte

aus Brühl CHRISTOPH BERTLING

Auch Apollon, die Flugente war machtlos. Dabei hatte sie anfangs ihren Job vorzüglich gemeistert. In den Maschen lag sie. Direkt neben dem Torpfosten, den Schnabel auf Höhe der Grasnarbe. Doch das gelbe Stofftier, das der Torhüter vom FC Blau-Weiß Brühl als Glücksbringer hinter sich ins Netz gelegt hatte, war nur für eine elfminütige Sensation gut. Zu wenig, um dem sechstklassigen Fußballverein aus Brühl dazu zu verhelfen, dem Bundesligisten 1. FC Kaiserslautern im DFB-Pokal die Hölle heiß zu machen.

„Wir werden Lautern 3:2 putzen“, hatte Kapitän Thorsten Morig bereits Tage vor der Partie selbstbewusst prophezeit. Und da Morig als ausgewiesener Fachmann in Sachen Pokalgeschichte gilt (vor zehn Jahren köpfte er Victoria Köln gegen Waldhof Mannheim ins DFB-Pokal-Viertelfinale), strömten die Brühler en masse in den hochsommerlichen Glutofen Schlossparkstadion. Mit kessen Verlautbarungen wie „Mit unserer Mischung deutscher Tugenden wie Kampfgeist und Kraft, kombiniert mit türkischem Temperament und afrikanischem Ballgefühl mischen wir Lautern auf“, hatte Morig sie von den Baggerseen gelockt. Und so versammelten sich stolze 6.500 Zuschauer in dem Stadion, das mehr einer antiken Ruine gleicht als einer Fußball-Arena – ihre Gesichter von der Hitze rot angelaufen und die T-Shirts vom Schweiß durchtränkt.

Die Fans wurden nicht enttäuscht. Nach 16 Minuten stand die Welt Kopf und der Fußballgott war definitiv ein Brühler: Es war das passiert, was BW-Trainer Nissim Beniesch als „guten Multikulti-Kick“ bezeichnet: Der deutsche Torwart Thomas Betz schlug ab, im Mittelfeld nahm der Marokkaner Apdil Sodki das Leder auf, schob es weiter an seinen Kollegen von der Elfenbeinküste, der zögerte nicht lange mit seinem Querpass zum türkischen Stürmer Kahveci, der im Strafraum zu fallen wusste und sich später freute: „Die Schwalbe habe ich mir aus dem Fernsehen abgeguckt“. Der Rest war deutsche Präzisionsarbeit: Libero Morig schob den Ball an Lauterns Weidenfeller vorbei ins rechte Eck. 1:0 für Blau-Weiß Brühl – die Prophezeiung nahm ihren Lauf. Doch die Brühler Glückseligkeit währte gerade einmal elf Minuten, danach rollte der Ball gleich vier Mal über Glücksbringer Apollon. 1:4 – Endstation Hoffnung für Blau-Weiß Brühl.

„Upps, da habe ich den Schnabel wohl zu voll genommen“, gab Morig nach der Partie zu. „Aber ich ärgere mich nicht. Ich finde es nur schade, dass nicht alle Spieler eingewechselt werden konnten“, frönte er der Nächstenliebe. Einen Trick hatten sie vor der Partie ausgeklügelt, um allen Mannschaftsmitgliedern das echte Pokalerlebnis zu ermöglichen. Da Brühl nach DFB-Statuten zu viele Auswechselspieler hatte, verkleideten sich einige Spieler als Ärzte und Sanitäter, um auf der Ersatzbank Platz nehmen zu können. „Gemeinsam hatten wir es als erster Bezirksligist geschafft, uns für den DFB-Pokal zu qualifizieren. Gemeinsam wollten wir auch unser großes Spiel gewinnen“, erläuterte Morig.

„Jetzt geht es weiter in der Landesliga. Aber zuerst geht es in die Klapsmühle“, freute sich Morig unmittelbar nach Spielende. Wobei natürlich nicht eine Nervenheilanstalt gemeint war, sondern ein Restaurant im nahe liegenden Bergheim. „Doch davor treffen wir uns noch im Klubheim“, wusste Cotrainer Daniel Beniesch und meinte den China-Imbiss eines Mitspielers. Denn ein eigenes Klubheim kann sich der 200 Mitglieder umfassende Verein nicht leisten.

„Und nach der Feier ist der Spuk endlich vorbei“, freut sich Trainer Nissem Beniesch, dessen Bruder sein Assistent ist und dessen Mutter und Vater sich das Amt des Platzwartes, Trikotreinigers und Edelfans teilen. „Der Medienrummel war einfach zuviel für uns“, ist der Coach überzeugt, der selbst einen Reporter von der Londoner Times empfangen musste. Und der Alltag bringt für die Spieler auch ihre Jobs als Kellner, Spielautomaten-Inspektor, Sachbearbeiter im Elektrogeschäft und Dachdecker wieder mit sich. Und einig darüber, dass ihnen das bisschen Berühmtheit für einen Tag nicht geschadet hat, sind sie sich sowieso.

Einzig und allein Schaden genommen hat Apollon, die Flugente. Denn dem Glücksbringer hatten die vier Gegentreffer übel mitgespielt. Platt wie eine Flunder hatten die Lauterer das arme Tier geschossen.