Ganzheitlich aus der Krise

Die Handwerkergenossenschaft RobinKruso feiert ihr zwanzigjähriges Bestehen. Schöne Möbel für die neue Erbengeneration. Das Modell einer Beteiligungsgesellschaft für Anleger ist in Arbeit

„Fünftausend Mark für einen Tisch? Das ist eine schöne Stange Geld.“ Der Kunde guckt skeptisch. Aber immer wieder streichelt seine Hand sanft die glatte Oberfläche des langen Tischs mit der schönen Maserung. „Dafür hält der auch ein Leben lang“, kontert die Leiterin der Direktverkaufsabteilung der genossenschaftlich organisierten Handwerkervereinigung RobinKruso in Mannheim, Elke Schäfer. Und zehn Esser könnten doch bequem an ihm Platz nehmen. Der Kunde streichelt weiter den Tisch. Von der Verarbeitung der Bretter aus dem Holz der Bäume, die von den dafür zuständigen Spezialisten der Genossenschaft in den Wäldern Süddeutschlands ausgesucht wurden, bis zur Verleimung und zum Feinschliff: alles Handarbeit. Und die Bäume wurden von Waldarbeitern mit dem Segen der Förster und der lokalen Naturschützer gefällt. Sie hätten sich eben einem „ganzheitlichen Konzept“ bei der Möbelherstellung verpflichtet, sagt Matthias Schilling, einer der beiden Geschäftsführer von RobinKruso und in Personalunion auch einer der vier Vorstandsmitglieder der Genossenschaft. Ein personell üppig ausgestatteter Vorstand – bei nur zehn Genossen in der Kooperative und noch einmal dreizehn Angestellten und Auszubildenden, die (noch) keine Aufnahme in die Genossenschaft fanden.

Zwanzig Jahre alt wurde RobinKruso in diesem Sommer. Schilling (42), mit Knopf im Ohr und gestylter Frisur, verkörpert bei RobinKruso die Moderne; und sein Kollege Helmut Hoppner (46) mit den schulterlangen, grauen Haaren und dem Zehntagebart die Tradition der Genossenschaft, die ihre Bilanzen in den frühen Achtzigerjahren in der taz veröffentlichte. Da war RobinKruso Teil der alternativen Großfamilie. Und auf dem 3.000 Quadratmeter großen Gelände zwischen Neckar und Verbindungskanal, auf dem von den Genossen heute eine Möbelschreinerei mit Räumen für alle Arbeitsgänge, das Ausstellungsgebäude, ein Lager und ein Fachgeschäft für gesundes Bauen und Wohnen betrieben werden, schraubten die alternativen Idealisten auch noch an den alten Autos meist zahlungsunfähiger Kunden herum. „Brotlose Künste“ seien das gewesen, erinnert sich Hoppner. Man habe von der Hand in den Mund gelebt. Der Schuldenberg der Genossenschaft sei dabei zwar gewachsen, aber das Leben trotzdem „irgendwie schön“ gewesen.

Lange ging das einigermaßen gut, auch weil die eigenen Ansprüche der Genossen an das Leben nicht allzu hoch waren. Einheitslöhne von unter 1.000 Mark haben sie sich bezahlt. Doch wenn sie Mitte der Neunzigerjahre nicht den radikalen Schnitt gewagt hätten, könnten sie in diesem Sommer nicht das zwanzigjährige Jubiläum ihrer heute professionell und mit Erfolg arbeitenden Firma feiern. Derzeit können sich die Genossen sogar eine hartnäckige PR-Agentin leisten. Etwa 3 Millionen Mark Umsatz macht die Genossenschaft heute. Und es wird aktuell ein Gewinn erwirtschaftet, der in die Schuldentilgung fließt. In drei Jahren, glauben Schilling und Hoppner, sei „der ganze Laden schuldenfrei“. Dann könne investiert werden: vor allem in ein neues Ladengeschäft in der Mannheimer City. Das ganze Viertel am Wasser wird ohnehin aufgewertet. Aus den leer stehenden Speichergebäuden im Hafen sollen Wohn- und Geschäftshäuser werden. Saniert werden dann auch die Gebäude auf dem Gelände der Genossenschaft. Da spenden heute Bäume Schatten, die Hoppner und andere 1981 pflanzten. Hoppner ist der letzte Gründervater im Projekt; und der Computerfreak der Firma.

Die Ökobank hatte einst den Sanierungsplan abgelehnt und den beantragten Kredit verweigert. Die Genossenschaft mit ihren untauglichen Strukturen und den zersplitterten Geschäftsbereichen „erwirtschaftete“ damals einen Verlust von 50.000 bis 60.000 Mark pro Jahr. Die Insolvenz drohte. „Doch die Ökobank finanzierte lieber windige Großprojekte. Und an den faulen großen Brocken sind sie ja dann auch erstickt“, so Schilling, der als „Vater der Wende“ bei RobinKruso gilt. Schilling lief sich auf der Suche nach Geldgebern die Hacken ab. Die halbe Millionen Mark für die Umstrukturierung kam dann von der Dresdner Bank, mit Fürsprache der örtlichen Grünen auch von der Sparkasse sowie von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Mit dem Geld wurden die Möbelwerkstätten und die Verkaufsräume modernisiert und wurde das „Portefolio“ gestrafft. Die Autowerkstatt etwa wurde schon im Januar 1994 geschlossen.

Als Anbieter für Massivholzmöbel und Küchen mit ökologischen Oberflächen, für Bau und Innenausbau und für Naturfarben, Bettensysteme sowie Wohntextilien habe man sich „ganz klar positioniert“, sagt Schilling in der New Economy Speach. Und im Hochpreissegment. Eine „maßgeschreinerte“ Küche aus Massivholz kostet bei RobinKruso rund 25.000 Mark – ohne Geräte. Allein der Arbeitstisch ist ein Traum. Die neue Erbengeneration, die umweltbewussten Lehrer und Rechtsanwälte aus der linken Ecke könnten das in der Regel auch „am Stück“ bezahlen, so die neuen Erfahrungen der alten Genossen. Für die anderen gibt es Trostpreise. Etwa einen Rotwein aus ökologischem Anbau für 11 Mark.

Die Expansion 2004 muss finanziert werden. Schilling und Hoppner wollen dafür – und um die Eigenkapitaldecke der Firma zu stärken – eine Beteiligungsgesellschaft in Anlehnung an die Genossenschaft gründen. Die Einlagen sollen ordentlich verzinst werden und die Geldgeber je einen Sitz und eine Stimme in der Vollversammlung erhalten. Auch wenn das Modell „noch nicht ganz durchdacht ist“ (Schilling), können sich Interessierte im Internet schon informieren. RobinKruso ist inzwischen Mitglied im Fachverband Ökologie und Bautechnik (öko +) und gehört KonnexX an, einem Zusammenschluss ökologisch orientierter Schreinereien und Fachgeschäfte in Südwestdeutschland. Im Rahmen von KonnexX werden mit finanzieller Unterstützung auch durch die Bundesregierung ökologische Möbelprogramme entwickelt und Projekte realisiert wie etwa der gemeinsame Einkauf und die Vermarktung von rotkerniger Buche aus dem Heidelberger Forst. Aus diesem alten Holz, das von „normalen“ Möbelbauern wegen seiner harten roten Einschlüsse nicht gern genommen wird, hat RobinKruso eine ganz außerordentlich schöne Anrichte gebaut.

Den Tisch hat Elke Schäfer übrigens verkauft; und acht Stühle gleich mit dazu. Das ist Schilling eine Flasche Apfelsaft (naturtrüb) wert. Im Hof am runden Tisch sitzen sie dann alle zusammen und prosten sich zu: „Auf die nächsten zwanzig Jahre!“

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

www.robinkruso.de