Grüne wollen Tiger reiten

Die Grünen diskutieren ihr neues Grundsatzprogramm „grün 2020“. Harsche Kritik von der Basis. Parteichef Kuhn: „Wir sind keine Antiglobalisierungspartei“. Staatssekretär gegen Tobin-Steuer

BERLIN taz ■ Harsche Kritik von der Basis ernteten die Grünen gestern in Bremen für den Entwurf ihres neuen Grundsatzprogramms „grün 2020 – wir denken bis übermorgen“.

Die Delegierten kritisieren vor allem, dass der Entwurf keine Visionen mehr enthalte. „Der Entwurf hat den Charakter einer Regierungserklärung und nicht den eines Parteiprogramms“, sagte die Hamburger Grünen-Politikerin Kordula Leites. „Es fehlt der feministische Gedanke“, klagte die Bremer Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe.

Auf insgesamt sieben Regionalkonferenzen und einer Sommerakademie soll das neue Grundsatzprogramm diskutiert werden, bevor es im November dem Parteitag in Rostock zur Abstimmung vorgelegt wird.

Parteichef Fritz Kuhn reagierte gelassen auf die Kritik der grünen Basis: „Wir nehmen die Anregungen auf und werden einen zweiten überarbeiteten Entwurf vorlegen.“

Die Bremer Regionalkonferenz stand auch im Schatten der Auseinandersetzung der Grünen mit der Globalisierung. Globalisierungskritiker hatten die Grünen in letzter Zeit wiederholt aufgefordert, sich stärker mit den sozialen Folgen der weltweiten wirtschaftlichen Vernetzung zu befassen. Der Leiter der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, wollte die „Frontalopposition gegen die Globalisierung“ nicht teilen. Er setzte im Gespräch mit der taz dagegen: „Wir müssen den Tiger reiten.“

Parteichef Kuhn wandte sich gegen den Vorwurf, die Grünen hätten die Globalisierungsdebatte verschlafen. Die Partei arbeite an einer „positiven Gestaltung der Globalisierung“. „Wir sind keine Antiglobalisierungspartei“, sagte Kuhn. Gastredner Sven Giegold vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac forderte die Grünen auf, sich für die Einführung der Tobin-Steuer zur Abschöpfung von Spekulationsgewinnen einzusetzen.

Die Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Kerstin Müller, sprach sich gestern für die Steuer aus. Der für Wirtschaftsfragen zuständige Kanzlerberater und Wirtschaftsstaatssekretär Alfred Tacke sagte indessen in einem Interview mit dem Spiegel: „Niemand in den Industriestaaten will die Tobin-Steuer, auch nicht die Bundesregierung.“

Fücks, auch Mitglied der grünen Grundsatzkommission, sagte im Anschluss an die Bremer Regionalkonferenz weiter: „Grüne Politik zielt auf fundamentale Veränderungen, die Methode aber ist reformerisch.“ YAS

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