: Quälen mit Stressspitzen
Der smarte Trendforscher Matthias Murks hat wieder einmal neuen Horx fabriziert
Der Experte für Pfefferkuchenweisheiten hat mal wieder einen publizistischen Wackerstein fabriziert: „smart capitalism“ (Eichborn 2001). Das in einem hässlichen Grün und Braun verpackte Buch ist sowohl ein ästhetisches Verbrechen als auch inhaltlicher Mumpitz, weil Horx schon im Untertitel großsprecherisch „Das Ende der Ausbeutung“ verkündet. Es handelt sich um eine zähe und weitschweifige Laudatio auf den Kapitalismus, mit dem Horx quasi ganz dicke ist und den er deshalb anbiedernd „smart“ nennt, in der Hoffnung, dass es auf Englisch nicht ganz so bescheuert klingt.
Horx, der seine journalistische Laufbahn bei der Frankfurter Sonderschule für Sprachsalat, dem Pflasterstrand, begonnen hat, landete später bei Tempo, wo der Zeitgeist extrem waberte, bis er plötzlich verschied, und beglückte schließlich das Rentnerblatt Die Zeit. Aber auch als „Romancier“ und „Autor“ dilettierte er, was er mit dem „Ende der Alternativen“ unter Beweis stellte, das sich las „wie die Fingerübungen eines Werbetexters, der von der Geschäftsleitung über das Produkt im Unklaren gelassen wurde“ (Wolfgang Pohrt). Seither betätigt er sich als „Trendforscher“ und als „Think Tank“ in einem von ihm selbst ins Leben gerufenen „Zukunftsinstitut“, in dem es offensichtlich um die Verfeinerung einer Technik geht, die früher „Schönreden“ hieß.
Horx’ Verständnis vom Kapitalismus ist einfältig. Der ist für ihn kein von seiner Verwertungslogik beherrschtes System, das zur Not, aber auch ohne Not über Leichen geht, sondern eine Art netter Onkel, mit dem sich alles in Ruhe bequatschen lässt. Die Produktionssphäre interessiert Horx dabei überhaupt nicht, es gibt sie einfach nicht, auch nicht den tendenziellen Fall der Profitrate, die die Illusionsblase vom unbegrenzten Wachstum zum Platzen bringen würde. Horx hält sich lieber in der Reproduktionssphäre auf, wo allein die so genannte Wissensökonomie das Kapital humanisiert und es zwingt, mit der „Ressource Mensch“ menschlich umzugehen. Das kann zwar stressig werden, aber für diesen Fall empfiehlt Dr. Horx: „Stressmanagement ist die angemessene Antwort: die Organisation lust- und lernvollen Stresses. Bei gleichzeitig konsequenter Bekämpfung jener Stressspitzen, die tatsächlich lebens-, lust- und gesundheitsbedrohlich sind!“ Mit so einer Stressspitze würde man Horx gern mal ein bisschen quälen, denn sein Buch ist ein einziges Bewerbungsschreiben an McKinsey, da er sich ständig Sorgen darum macht, dass andere „möglichst effizient arbeiten“.
Niedrige, üble, stinkende, entwürdigende Jobs gehören der Vergangenheit an und sind „unmittelbar abhängig von kommunikativen Fähigkeiten“. „Selbst ein Schuhputzer auf einem Flughafen muss nicht zu den Niedrigverdienern zählen, wenn er das Humanmarketing beherrscht.“ Humanmarketing! Was für ein gelungenes seifiges Wort, um eine Nervensäge wie ihn zu umschreiben, der einen so lange belabert, bis man schließlich die Waffen streckt und ihm ein Buch abkauft, von dem man im Unterschied zu einem mundbemalten Aschenbecher, der einem von anständigen ambulanten Händlern angedreht wird, allerdings nichts hat. Im Begriff von „Humanmarketing“ lässt sich jedenfalls perfekt das Elend zum Verschwinden bringen, welches im Job eines Straßenverkäufers oder „Lohnschreibers“ steckt, nämlich der Zwang, sich mit dem Verfassen von „Es lebe die Smart Economy“-Lobliedern über Wasser zu halten, deren Sinn darin besteht, diese Welt rundum positiv und gut zu finden. Besonders originell ist das nicht, und Leuten, die eine schöne neue Welt versprechen, ist sowieso nicht zu trauen.
KLAUS BITTERMANN
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