das überflüssigste land der welt von HEIKE RUNGE
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Noch immer gilt Kroatien als touristischer Geheimtipp. Und ich muss sagen: völlig zu Recht. Ein vernünftiger Grund, ins Aushilfsitalien zu fahren, existiert einfach nicht. Ein Blick auf die Landkarte hätte es in meinem Fall auch getan. Weil es zum Stiefel nicht gereicht hat, lappt das Land jetzt in Form eines überdehnten Nylonstrumpfs am Mittelmeer herum.

Mittelmeer? Machen Sie sich bitte keine falschen Vorstellungen von meinem Urlaubsland. Öffnen Sie einfach nur Ihr inneres Auge: Zwar gibt es hier Sonne, Strand und Meer, aber denken Sie sich zügigst den Sand weg. Den gibt es hier nämlich nicht. Schütten Sie in Gedanken einfach ein paar Lastwagenladungen groben Kies auf und rühren anschließend eine großzügig bemessene Menge Seeigel ins lauwarme Wasser. Falls gerade keine Igel zur Hand sind, gehen aber auch Quallen. Platzieren Sie anschließend auf dem noch feuchten Kies einige schwer depressive Italiener mit Badeschuhen. Jetzt sind Sie quasi schon mittendrin, in Kroatien, dem überflüssigsten Land der Welt.

Von den großartigen Kulturleistungen, die dieses Land hervorgebracht hat, haben Sie schon viel gehört und sich gefragt, worin genau sie bestehen? Stellen Sie sich ein bilinguales Land vor, dessen Bewohner fließend Deutsch sprechen und Sie bereits am frühen Morgen mit „Heil Hitler“ begrüßen. Erschrecken Sie nicht, denn abends heißt es dann schon wieder „Spaß muss sein“.

Aber worin besteht der spezifisch kroatische Beitrag zum Weltkulturerbe, um dessen willen man sich seinerzeit die Köpfe eingeschlagen hatte? Welche Errungenschaften mussten verteidigt werden? Tatsächlich gehört es zu den schwierigsten Übungen, sich einen Begriff von der kulturellen Vielfalt dieser jungen Republik zu machen. Lenken Sie Ihre Gedanken vorsichtig auf den Bereich der Herrenausstattung, und halten Sie sich fest. Es ist die Krawatte! Sie wurde praktisch hier erfunden. Der Krieg wurde quasi für die Krawatte geführt.

Um sich allerdings ein noch detaillierteres Bild von Land und Leuten zu machen, imaginieren Sie bitte eine Gruppe taubstummer Italiener, denen das Essen nicht schmeckt. Pasta, Pizza und andere Leckereien müssen Sie sich allerdings schleunigst aus dem Kopf schlagen, sie gehören nicht zur mediterranen Grundausstattung der Region, Restaurants und Supermärkte sind lediglich Attrappen.

Getränke nicht vergessen. Heizen Sie den Kühlschrank dazu ordentlich vor, und erwärmen Sie das Bier auf acht Grad. Deutsche Wurst in drei gleich große Teile schneiden und daraus ein ekliges Nationalgericht arrangieren. Reichlich Krautsalat aufhäufen und unauffällig unter die Wurstbrocken schieben. Da das Rezept in gesamtjugoslawischen Kulturkreisen verbreitet ist, dekorieren Sie das Ganze mit Servietten in den Farben des Landes. So wird eine echte kroatische Spezialität daraus. Dazu Landeshymne abspielen, fertig.

Wenn Sie ordentlich mitgearbeitet haben, sehen Sie das Land jetzt vor Ihrem inneren Auge und können sich eins sparen: die Reise ins Verderben.