Razzien in Pakistan

Eine Kampagne gegen radikale Islamisten trifft auch die Kaschmir-Kämpfer. Deren Proteste gegen Festnahmen veranlassen die Militärregierung zu einem Rückzieher

DELHI taz ■ Die pakistanische Regierung beginnt, gegen extreme islamistische Gruppen vorzugehen. In der vergangenen Woche führte die Polizei in Karatschi und anderen Städten der Provinz Sindh eine Reihe von Razzien in den Hauptquartieren von zwei religiösen Organisationen und zehn Moscheen durch. Dabei wurden über dreihundert Personen verhaftet.

Dabei handelt es sich um Anhänger der Gruppen Tehrik i-Jafria und Sipah i-Mohammed, bewaffnete Organisationen der Sunntien und Schiiten. Die Maßnahmen folgen dem Verbot beider Organisationen am 14. August. In den letzten Monaten hat Präsident Pervez Musharraf wiederholt die zunehmende Kriminalisierung religiöser Gruppierungen kritisiert, die im Namen irgendeines „Dschihad“ die Moscheen mit Waffen füllten und Hass predigten.

Im Lauf der Woche zeigte sich jedoch, dass die Polizei auch Hausdurchsuchungen und Festnahmen bei Gruppen wie al-Badr und Lashkar i-Taiba vornahm, deren Dschihad sich gegen die indische „Besetzung“ von Kaschmir richtet. Diese genossen in der Vergangenheit nicht nur den Schutz des Staates, sondern werden verdächtigt, vom pakistanischen Geheimdienst ISI unterstützt, wenn nicht gar ferngesteuert zu werden. Aussagen führender Regierungsvertreter, allen voran von Innenminister Moinuddin Haider, dass auch diese Gruppen sich dem Verbot des Waffentragens, öffentlicher Spendensammlungen und der Rekrutierung zu unterziehen hätten, waren daher bisher nicht ernst genommen worden. Wenn nun auch diese Organisationen ihre Straffreiheit einbüßten, so spekulierten pakistanische Zeitungen, sei dies ein Zeichen, dass das Regime Ernst macht mit dem Kampf nicht nur gegen die militanten Sekten, sondern auch gegen die Organisationen, die in Kaschmir kämpften.

Die Reaktionen auf das Vorgehen gegen die Kaschmir-Guerillas zeigen aber, dass die Regierung sich übernommen hat. Die in einem Verband zusammengeschlossenen 16 Kaschmir-Gruppen protestierten vehement gegen die Verhaftung von 200 ihrer Mitglieder und die Schließung von 24 ihrer Büros in Karatschi. Sie verurteilten die Maßnahmen der Regierung und machten ihr eine verschleierte Kampfansage, indem sie beschlossen, mit ihren öffentlichen Geldsammlungen weiterzumachen. Außerdem forderten sie den Rücktritt von Innenminister (und Exgeneral) Haider.

Die Reaktion der Militärregierung zeigte, dass sie nicht bereit ist, sich mit der Kaschmir-Dschihad anzulegen. Am Wochenende kam es zu eilig einberufenen Pressekonferenzen der Minister für Inneres, für Religiöse Angelegenheiten, der Provinzbehörde von Sindh und hoher Militärs, die alle versicherten, dass es keine Kampagne gegen diese Gruppen gäbe. Die Polizei erhielt Order, die Namen der betroffenen Gruppen nicht bekannt zu geben, ihre Anhänger wurden freigelassen. Wenn selbst eine Militärregierung so rasch aufgebe, hieß es in pakistanischen Zeitungskommentaren, sei dies ein Beweis für den enormen Schutz, den militante Gruppen in offiziellen Kreisen, allen voran der Armee, genießen. BERNARD IMHASLY