Ein Problem des Systems

UKE wusste vor einem Jahr von Urkundenfälschungen in der Herzchirurgie. Jetzt hat es Anzeige gegen unbekannt erstattet  ■ Von Sandra Wilsdorf

Was in der Herzchirurgie des UKE wirklich passierte, könnte schon viel klarer sein: Im vergangenen September riet UKE-Verwaltungschef Karl-Heinz Ebeling seinen Direktoriumskollegen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Auch die Rechtsabteilung des UKE hatte das geraten, denn schon damals wusste man von offensichtlich gefälschten oder nachträglich manipulierten Operationsberichten. Die sollten vermutlich vertuschen, dass der nach einem Hirnschlag arbeitsunfähige Professor D. (taz berichtete mehrfach) operiert hat, obwohl er nur assistieren durfte. „Es gab über den Vorschlag eine kontroverse Diskussion“, sagte Behrend Behrends, kaufmännischer Direktor des UKE am Mittwochabend vor dem Wissenschaftsausschuss. Die Mehrheit des Direktoriums habe aber beschlossen, zunächst die Frage zu klären, wessen Haftpflichtversicherung für die entstandenden Schäden an Patienten zuständig sei.

Jetzt erst erstattete das UKE Anzeige gegen unbekannt wegen des Verdachts der Urkundenfälschung. Der leitende Staatsanwalt bestätigt: „Dieser Verdacht deckt sich mit unseren Ermittlungen.“ Die sind allerdings noch nicht weit gediehen. Bisher wurde in der Angelegenheit erst ein Gutachten in Auftrag gegeben, nur ein Staatsanwalt ist mit der Sache befasst, und „der hat noch anderes zu tun“.

Bei der Ursachenforschung des Skandals räumte Behrends ein: „Der Mangel an Kommunikationskultur ist ein systemisches Problem des UKE.“ Alle Skandale der letzten Jahre hätten immer auch mit unbewältigten Personalproblemen zu tun gehabt. Aber: „Wir haben das erkannt.“ Konfliktmanager, Coaches und ein Vertrauensprofessorengremium sollen es richten. „Wir haben jedoch auch schon Professoren ins Forschungssemester geschickt oder Zweitlehrstühle geschaffen“, sagte Professor Hans Dieter Jüde, Ärztlicher Direktor.

Der wissenschaftliche Personalrat, Dr. Jürgen Altenhoff, beschrieb bei einer Anhörung des Regenbogen die Unikliniken als ein System ohne Kritikfähigkeit, das immer wieder solche Skandale hervorbringen müsse. Dazu käme die wachsende Arbeitsbelastung. Pflegepersonal sichert sich nach oben durch so genannte Überlastanzeigen ab, um nicht haftbar gemacht zu werden, wenn aufgrund von Überlastung ein Patient zu Schaden kommt. „Für Ärzte gibt es das nicht. Entweder sie machen mit oder sie fliegen.“ Altenhoff beschreibt, wie auf seiner Station die Hautkrebspatienten früher von zwei Schwestern betreut wurden, heute sind es zwei halbe Stellen. „Das führt zu menschlicher Kälte und zu einem unguten Klima.“

Eine nichtwissenschaftliche Personalrätin berichtet von Mitarbeitern einer Intensivstation, die Patienten festbinden, damit sie sich beim Aufwachen nicht die Schläuche herausreißen. Denn von den Pflegekräften habe keiner mehr Zeit, sich daneben zu setzen.