Gruppenbild am See mit Mann

■ Neu im Kino: „Paradiso – sieben Tage mit sieben Frauen“

Eigentlich hat er ja schon immer Haremsfilme gemacht! Aber halt raffinierte, in denen die männlichen Wunschträume reflektiert und gebrochen wurden – sich auch mal in Angstfantasien verwandelten wie in seinem Apo-Film „Rote Sonne“ von 1969, in dem eine Kommune von höchst emanzipierten Frauen unter der Leitung von Uschi Obermeier die Paschas reihenweise umbrachte. Aber Rudolf Thomes Ur-szene hat wohl einen Mann im Zentrum, um den sich seine Geliebten bemühen. Am Reinsten und deshalb auch am Ehrlichsten hat er diese Obsession 1988 in „Der Philosoph“ filmisch zelebriert. Jetzt hat der inzwischen 60-Jährige sie konsequent zu Ende gedacht.

Zu seinem 60. Geburtstag lädt der Musiker Adam Bergschmidt (warum müssen erzählende Künstler sich seit Thomas Mann ständig Komponisten als Alter egos aussuchen?) alle Frauen seines Lebens für eine Woche in sein Landhaus an einem See in Mecklenburg-Vorpommern ein. Seine erste Frau ist nach der gescheiterten Ehe ins Kloster gegangen, und so kann Irm Hermann als wunderschön verschrobene Nonne durch den Film schweben. Cora Frost spielt die derzeitige, durchaus glücklich wirkende, Gattin und dazwischen gibt es noch fünf andere Frauen, deren Reminizenzen, Reibereien und neuerliche Liebesbeweise den größten Teil des Films ausmachen. Dazu kommt noch ein verlorener Sohn, der nach dreissig Jahren Wut wieder zurück zu seinem Vater findet (nachdem er versucht hat, ihm den Schädel einzuschlagen), und einige Kinder und Enkel, die interessanterweise gleichaltrig sind.

Wirklich paradiesische Zustände werden da geschildert, ein geglücktes Leben, bei dem sich sogar die Liebeskonkurrentinnen schließlich schön vertragen – kann sowas als Film überhaupt funktionieren? Ist das nicht eitle männliche Bauchbepinselung, die spätestens nach 20 Minuten unerträglich wird? Nein, denn Thome findet den richtigen Ton! Sein Adam ist eben durchaus kein Pascha, sondern ein begabter, komplexer, männlicher Mann, und er wird sehr intensiv und glaubwürdig von der deutschen Antwort auf Michel Piccoli, Hanns Zischler, verkörpert. Der Vergleich mit einem französischen Schauspieler ist nicht zufällig, denn Thome versucht hier, wie in vielen seiner Filme, Eric Rohmer nachzueifern. „Quasselfilme“ nannte diese Gattung der Kollege Kurt Scheel einmal durchaus lobend: Beim Frühstück, auf langen Spaziergängen, beim abendlichen Weintrinken, bei Autofahrten auf Landstraßen usw. wird da ständig erzählt. Passieren tut kaum etwas (des Sohnes leichter Schlag auf den Hinterkopf des Vaters ist da schon fast ein Stilbruch), und doch wird man schnell vom Film gefangen genommen, ist gerne mit diesen Menschen zusammen und lernt sie mehr an ihren kleinen Gesten und Redewendungen kennen als an den Schicksalen, die sich langsam offenbaren. Jede Filmfigur ist sehr plastisch ausgearbeitet, da ist nichts Klischee und die vielen biblischen Bezüge (es gibt sogar eine Schlange in diesem Paradies) sind so unangestrengt und ironisch eingearbeitet, dass man die kunstvolle Konstruktion kaum spürt. „Paradiso“ durchzieht eine heitere, warme Gelassenheit: es ist der Film eines Mannes, der sich und anderen nichts mehr beweisen muss. Und dies gilt sowohl für Adam Bergschmidt wie auch für Rudolf Thome. Als dieser Hanns Zischler die Rolle anbot, und ihm dafür die Geschichte erzählen wollte, sagte der nur: „Nein, brauchst du nicht. Ich kenn dich doch!“ Er spielt halt auch gerne in Haremsfilmen.

Wilfried Hippen

„Paradiso“ läuft tägl. im Atlantis um 15.45., 20.00 (außer Di. Fr. u. Sa auch 22. 00 Uhr