Fischer anerkennt Schuld bei Sklaverei

Die UNO-Konferenz in Durban wird überschattet vom Nahostkonflikt. Arafat greift Israel scharf an

DURBAN taz ■ Bundesaußenminister Joschka Fischer hat auf der Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban vor einer Polarisierung des Nahostkonflikts oder gar einer „Singularisierung Israels“ gewarnt. Dadurch könne ein Erfolg der UN-Konferenz gefährdet werden, die für den Ausgleich zwischen Nord und Süd von überragender Bedeutung sei.

Vor den Delegierten betonte Fischer am Samstag, die Bewältigung der Vergangenheit müsse am Anfang der Konferenz stehen. Vergangenes Unrecht lasse sich nicht ungeschehen machen, sagte der Vizekanzler zu den Folgen von Sklaverei und Ausbeutung durch den Kolonialismus. Im Namen der Bundesrepublik sprach er sich für die Anerkennung dieser Schuld und die Übernahme der Verantwortung aus.

Mit dieser Äußerung schlug Fischer einen sensiblen Ton in der Debatte an, die vom Nahostkonflikt und dem Streit über Formulierungen von Entschuldigungen und möglichen Entschädigungen für Sklaverei und Kolonialismus überschattetet wird. Das Wort „Entschuldigung“ gebrauchte er allerdings nicht. Die Verwendung dieses Begriffes wird von den Regierungen der USA und Großbritannien abgelehnt, da laut angelsächsischer Interpretation daraus vor Gericht finanzielle Ansprüche geltend gemacht werden könnten. Doch Fischer erklärte, wenn man sich den historischen Verantwortungen stelle, könne dies den Opfern zumindest die ihnen geraubte Würde zurückgeben.

„Das schrecklichste aller Verbrechen im 20. Jahrhundert aber hat sich in meinem Land ereignet, der Genozid an sechs Millionen europäischen Juden, an Roma und Sinti“, sagte Fischer und erklärte, die daraus erwachsende Verantwortung werde Deutschlands Politik dauerhaft prägen.

Fischers Bemühungen in Durban zentrierten sich jedoch auf den Nahostkonflikt, in dem er seit Wochen eine Moderatorenrolle spielt. Entgegen seinen Planungen, Samstagabend abzureisen, blieb er einen Tag länger. Zum Auftakt seines Besuches traf er Palästinenserführer Jassir Arafat und führte am Rande der Konferenz Gespräche mit Vertretern der israelischen Delegation sowie dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa. Dies wird in Durban positiv als Teil der europäischen Friedensbemühungen im Nahen Osten aufgefasst.

Gemeinsam mit seinem italienischen Amtskollegen Renato Ruggiero sprach Fischer auch mit UN-Generalsekretär Kofi Annan und der UN-Menschenrechtsbeauftragten Mary Robinson. „Die schockierende Zunahme von Gewalt und Hass im Nahen Osten erfüllt uns mit allergrößter Sorge“, sagte Fischer in seiner Rede im Plenum. Beide Völker hätten das Recht auf „kollektive und individuelle Sicherheit“. Dazu gehöre das Existenzrecht Israels, aber auch das uneingeschränkte Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser, einschließlich der Option auf einen eigenen Staat. Er rief beide Seiten dazu auf, die geplanten Gespräche rasch zu beginnen.

Arafat hatte jedoch noch am Samstag seine scharfen Angriffe auf die israelische Regierung als einer „rassistischen Kolonialmacht“ wiederholt. Dieser Tenor findet sich auch in dem Abschlussdokument der Nichtregierungsorganisationen. Darin wird Israel unter anderem als „rassistischer Apartheidstaat“ bezeichnet. Es sei nicht akurat, das Wort Genozid zu benutzen, und falsch, Zionismus mit Rassismus gleichzusetzen, sagte Reed Brody, beratender Direktor von Human Rights Watch. Die von den arabischen Staaten geforderte Formulierung von einem „Anstieg rassistischer Praktiken des Zionismus“ in der Abschlusserklärung, die zum Fernbleiben von US-Außenminister Colin Powell führte, ist von Kofi Annan für die offizielle Konferenz bereits für „tot“ erklärt worden. MARTINA SCHWIKOWSKI