Die Sau durch den Knick

Gesetz zur Verselbständigung des Universitätsklinikums Eppendorf soll auf jeden Fall vor der Wahl verabschiedet werden  ■ Kai von Appen

Die Verabschiedung des vom rot-grünen Senat mit heißer Nadel gestrickten Gesetzes zur Verselbständigung des Uniklinikums Eppendorf (UKE) morgen in der Bürgerschaft könnte schnell zum Rohrkrepierer werden. Entgegen der Auffassung der GAL-Wissenschaftssenatorin Krista Sager haben die rund 6.400 UKE-MitarbeiterInnen das Recht, einem Wechsel in die neue Rechtsform zu widersprechen. Das bestätigten Arbeitsrechtsexperten gegenüber der taz hamburg. „Das ganze Gesetz könnte verfassungswidrig sein“, sagt Jürgen Kühling, Ex-Bundesverfassungsrichter, beim 1. Senat zuständig für Arbeitsrecht und heute Jurist in der Hamburger Arbeitsrechts-Sozietät Bertelsmann und Gäbert. Der Vize-Vorsitzende des Nichtwissenschaftlichen Personalrats am UKE, Dirk Salomon, dazu: „Wenn nur zehn Prozent widersprechen, gibt es ein Problem.“

Einerseits würde dem neuen UKE dann das Personal fehlen, andererseits verblieben diese Beschäftigten im öffentlichen Dienst, so dass die öffentliche Verwaltung für sie neue Jobs suchen müsste – die es eigentlich nicht gibt. Ein ähnliches Problem wie jüngst bei der Privatisierung der Küche: „Da haben 90 Prozent der Beschäftigten einem Wechsel widersprochen“, sagt Salomon, „obwohl es einen Super-Überleitungstarifvertrag gab.“ Resultat: Zusätzliche Kosten im UKE-Betriebshaushalt von 3,5 Millionen Mark für 2001.

In fast allen Bereichen der Uniklinik herrscht wegen der Rechtsformänderung Verunsicherung, Skepsis und Misstrauen. Denn die Umwandlung des UKE als Teil der Wissenschaftsbehörde in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ändert an den wirtschaftlichen Problemen der Klinik und an der desolaten Führungsstruktur durch das Direktorium – verantwortlich für die Skandale – nichts. Im Gegenteil: Die UKE-MitarbeiterInnen fürchten Tabula Rasa ausschließlich zu ihren Lasten. „Dann geht hier die Sau durch den Knick“, beschreibt Salomon „die schlechte Stimmung“.

So wird schon jetzt hinter vorgehaltener Hand laut darüber nachgedacht, in der neuen Rechtsform die Bereiche Reinigung, Krankenhaustransport sowie die Technische Abteilung in je eine GmbH umzuwandeln. Allein davon wären 500 Leute betroffen. Zeigen diese Renitenz, so die Drohung der Bosse in Weiß, könne man diese Bereiche „zur Not zukaufen“ – also Fremdfirmen anheuern. Aber auch in den medizinischen Bereichen erwartet man von den Verfechtern der Zergliederung gravierende Einschnitte.

Um allem Widerstand vorzubeugen, so die pfiffige rot-grüne Idee, will der Arbeitergeber Freie und Hansestadt Hamburg als Gesetzgeber Freie und Hansestadt Hamburg per UKE-Gesetz das Widerspruchsrecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch aushebeln. Doch das dürfte – obwohl rechtliches Neuland – juristisch kaum Bestand haben. „Ländergesetz kann nicht Bundesrecht und EU-Recht brechen“, sagt die Hamburger Anwältin Birgit Schlichting und verweist auf ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Januar in Sachen gesetzliche Privatisierung bei der Berliner Bäderland. Auch die Umwandlung einer staatlichen Klinik per Gesetz zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist für Schlichting ein „Rechtsgeschäft und eine Privatisierung.“

Kühling sieht es ähnlich: „Das Gesetz selbst ist noch nicht das letzte Wort.“ Über verfestigtes Recht könne sich „der „Landesgesetzgeber nicht hinwegsetzen“. Tanja Schmedt auf der Günne, Sprecherin der Wissenschaftsbehörde, hält indes dagegen: „Der Ausschluss des Widerspruchsrechts ist rechtmäßig.“