Schlechter Sommer für Genpflanzen

Bauern und Umweltschützer in Frankreich verwüsten Gentechnik-Versuchsfelder – als „staatsbürgerlicher Akt“. Regierung greift halbherzig ein und erwägt Moratorium, um das Thema bis zu den Wahlen aus der öffentlichen Debatte zu bekommen

aus Paris DOROTHEA HAHN

Das Ultimatum kam per Post. Die rot-rosa-grüne Regierung in Paris, hieß es darin, solle umgehend sämtliche Freilandversuche mit genmanipulierten Pflanzen beenden – im „Interesse der Volksgesundheit“. Wenn bis zum Stichtag nicht alle im Freien angebauten „OGM“ – wie das Teufelszeug auf Französisch abgekürzt wird – zerstört seien, würde man selbst zur Tat schreiten.

Seither sind drei Wochen vergangen. Drei Wochen, in denen die GegnerInnen der OGM ihre Drohung an sieben verschiedenen Orten Frankreichs wahr gemacht haben. Ausgerüstet mit Macheten und begleitet von Fernsehteams zogen Kommandos von mehreren Dutzend Personen – darunter Mitglieder der Regierungspartei „Les Verts“, BauerngewerkschafterInnen und Globalisierungs-KritikerInnen – auf die Felder und zerstörten genmanipulierte Maispflanzen. Die Polizei sah dem Treiben mit vor der Brust gekreuzten Armen zu. Die Regierung in Paris schwieg.

Bis zum Ende der Sommerpause. Doch nachdem Frankreichs Premierminister Lionel Jospin vergangene Woche im Fernsehen versicherte, seine Regierung würde alle „illegalen Aktionen“ verfolgen, verhinderte an diesem Wochenende prompt eine Hundertschaft Polizisten im Departement Vienne und eine andere in der Gironde, dass OGM-GegnerInnen Maispflanzen zerstörten. Gleichzeitig allerdings konnten Gen-GegnerInnen in der Charente-Maritime wieder genmanipulierte Maispflanzen des Agrounternehmens „Giogemma“ ausreißen.

Diese stellenweise Zuspitzung im OGM-Konflikt in Frankreich könnte bereits das Präludium zu einer Lösung sein. Denn an diesem Wochenende fanden in Paris bereits Gespräche zwischen einem Kabinettsmitglied von Jospin und einem Verantwortlichen der regierungsnahen Bauerngewerkschaft „Confédération Paysanne“ statt, die das Ganze angezettelt hatte. Jospins Mitarbeiter „hat uns versprochen“, sagte René Louail anschließend, „dass es echte Diskussionen über die OGM geben werde und klare Entscheidungen.“ In Regierungskreisen ist bereits ein „Moratorium“ über die umstrittenen Freilandversuche im Gespräch. Damit könnte zumindest das Wahljahr 2002 überbrückt werden.

Heute will die Bauerngewerkschaft darüber beraten, wie sie weiter vorgeht. In jedem Fall will sie „nicht ruhen, bis die Freilandversuche aufhören“. Sie stellen, so die SprecherInnen der Organisation, eine „Gefahr für die Gesundheit von Menschen, Tieren und dem umgebenden Boden und den Pflanzen“ dar. Dass das Ausreißen von OGM-Pflanzen auf Privatgelände „illegal“ sei, hat der Sprecher der „Confédération Paysanne“, José Bové, energisch bestritten. Für ihn handelt es sich dabei um „staatsbürgerliche Akte“.

Auf rund 70 über das ganze Land verteilten Feldern in Frankreich testen Agro-Unternehmen und wissenschaftliche Institute gegenwärtig den Anbau von genmanipulierten Pflanzen im Freiland. Neben Mais experimentieren sie auch mit Pappeln, Roten Beten, Kartoffeln, Soja und Raps. Vertreter der Saatgutindustrie und -bauern, die sich in der vergangenen Woche bei Landwirtschaftsminister Jean Glavany über die Kommandoaktionen auf ihren Feldern beklagten, sehen in den Versuchen den „Schlüssel zur Zukunft“ der Landwirtschaft und beklagen die gegenwärtige „Verteufelung“ ihrer Produkte in der Öffentlichkeit. Eine Mehrheit der Franzosen hingegen ist gegen genmanipulierte Nahrungsmittel eingestellt. Auf ihre – zumindest stillschweigende – Unterstützung können die FeldstürmerInnen rechnen. Ihre Wählerstimmen interessieren auch die rot-rosa-grünen Parteien im nächsten Jahr.