Mrs. Fiorina geht auf Einkaufstour

Die mächtigste Frau der Welt mischt die Computerbranche auf: Nach der Fusion mit Compaq ist Hewlett-Packard dem Branchenriesen IBM auf den Fersen

von REINER METZGER
und CONSTANTIN VOGT

Die Hewlett-Packard-Chefin Carly Fiorina hat die Computerbranche völlig überrascht: Der kalifornische PC-Hersteller HP übernimmt den Konkurrenten Compaq. Die Nummern zwei und drei der Computerhersteller schließen sich damit zusammen. Mit dem jüngsten Coup kratzt Fiorina an der Marktführerschaft von IBM. Gemeinsam haben HP und Compaq einen Jahresumsatz von 87 Milliarden Dollar, IBM verkauft jährlich Waren und Dienstleistungen im Wert von 90 Milliarden Dollar.

HP will Compaq für 25 Milliarden Dollar in Aktien übernehmen. Offiziell ist es eine Fusion unter Gleichen – faktisch hat das Unternehmen von Carly Fiorina den Konkurrenten jedoch geschluckt. Damit ist die 20-jährige Geschichte von Compaq zu Ende. Frustrierte Ingenieure von Texas Instruments gründeten damals in Houston eine Computerklitsche, bauten mit die ersten tragbaren Personalcomputer und stiegen zum größten PC-Hersteller der Welt auf. In den letzten Jahren wurde jedoch erhebliche Verluste eingefahren, und die Großaktionäre entschieden sich nun offensichtlich für einen Verkauf.

Die Fusion ist aus der Not geboren. Denn die erfolgverwöhnte Branche der Hersteller von Personalcomputern sieht sich in letzter Zeit mit einem ganz neuen Problem konfrontiert: Sie wächst nicht mehr. Die Verkäufe von PCs gingen sogar in manchen Weltteilen zurück. So wird das Geschäft auch für die etablierten Branchenriesen wie Compaq und HP immer schwieriger, die Gewinnmargen brechen ein. Außerdem attackiert die Niedrigpreiskonkurrenz – allen voran Branchenrevolutionär Dell Computers. Dell verkauft seine Computer zum größtenTeil über das Internet: Der Kunde stellt sich seinen PC aus Komponenten selbst online zusammen, mailt die Bestellung und Dell lässt die Kiste dann von anderen Billigfirmen irgendwo in der Welt zusammenbauen. Dell spart die Gewinnbeteiligung der Einzelhändler und baut durch die Online-Bestellung auch keine überflüsigen Modelle, die dann teuer im Versandlager verstauben.

Dell verkaufte im vergangenen Jahr 4,2 Millionen Personalcomputer (12,8 Prozent Marktanteil), HP und Compaq zusammen 6,3 Millionen Rechner (19,4 Prozent). IBM liegt in diesem Marktsegment mit zwei Millionen PCs und nur 7,2 Prozent Marktanteil weit hinten – ist jedoch nach wie vor beherrschend bei Hochleistungsrechnern.

Geändert hat sich auch das Image der Branche: Warteten früher viele Kunden ungeduldig auf die technisch neuesten Modelle der Edelhersteller wie IBM, Compaq oder HP, so spielt heute der Preis eine viel größere Rolle. Personal Computer sind so zu einer gewöhnlichen Elektroware geworden, wie Kühlschränke oder Videorecorder.

Um mit Billigkonkurrenten mithalten zu können, haben auch Compaq und Hewlett-Packard in den vergangenen Monaten harsch gespart: Hewlett-Packard möchte noch in diesem Jahr weltweit 9.000 Leute entlassen, Compaq 8.500. So sahen jedenfalls die Pläne vor Bekanntgabe der Fusion aus.

Analysten sind sich uneinig über den Nutzen der Fusion. Einzelne Branchenexperten wie der US-Amerikaner Ashok Kumar nannten den Zusammenschluss „sinnlos“. Es folge nun eine Phase der Unsicherheit, die sechs bis neun Monate dauern werde. Der Aktienkurs von Hewlett-Packard sackte gestern an der Wall Street zu Beginn der Börsensitzung mit einem Minus von 10,4 auch erst einmal kräftig ab.

„Für uns ist das eine Chance“, meint Judith Grimble, Chefin des japanisch-deutschen Computerherstellers Fujitsu-Siemens. „Wir können sehr schnell auf Veränderunen reagieren.“ Dahinter steckt die Hoffnung, von der drohenden Lähmung bei Compaq und HP zu profitieren. Fujitsu-Siemens hatte zuletzt einen Jahresumsatz von sechs Milliarden Euro und beschäftigt in Deutschland 7.000 Personen.

Compaq und HP haben in Deutschland zusammen 8.800 Mitarbeiter. Die traf die Fusionsnachricht heute morgen völlig überraschend. Bisher hatte allein Compaq geplant, 300 Stellen abzubauen. Jetzt ist die Angst bei beiden Betriebsräten groß, dass bei der neuen HP mehr Angestellte ihren Job verlieren könnten. „Es gibt in den Deutschland-Zentralen einen erheblichen Überhang“, so Christian Brunkhorst, der Vorsitzende des europäischen Betriebsrates von Compaq.

Verbraucherschützer haben gegen die Fusion keine Bedenken: „Es gibt natürlich die allgemeingültigen Ängste bei Großfusionen. Es kann dadurch aber genauso gut die Konkurrenzsituation verbessert werden“, sagt Christian Fronszczak vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Die Kartellbehörden machen sich ebenfalls Gedanken: Die europäischen Kommission meldete gestern bereits ihren Anspruch auf Prüfung an.