Taliban drohen mit Tod

Richter nennt Hinrichtung nach „islamischem Recht“ als mögliche Strafe für in Afghanistan angeklagte Ausländer

KABUL dpa ■ Erstmals haben die radikalislamischen Taliban in Afghanistan offiziell von der Möglichkeit der Todesstrafe für die in Kabul inhaftierten Ausländer gesprochen. Bei einer Verurteilung drohe den acht ausländischen Mitarbeitern der Hilfsorganisation „Shelter Now“ – vier Deutschen, zwei Amerikanerinnen und zwei Australiern – die Exekution, sagte gestern der Vorsitzende Richter Sakib der afghanischen Nachrichtenagentur AIP. Er deutete an, dass der Prozess auch weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden wird. Die Angeklagten hätten das „volle Recht“, sich zu verteidigen und sich auch einen Anwalt zu nehmen. „Aber es ist nicht notwendig, dass irgendjemand sonst ebenfalls anwesend ist.“

Unterdessen bemühten sich die Diplomaten vergeblich um einen Kontakt zum Obersten Gericht, vor dem sich die Entwicklungshelfer wegen christlicher Missionierung verantworten müssen. Die acht Helfer waren am 3. August zusammen mit 16 einheimischen Mitarbeitern festgenommen worden.

Die Bedrohung mit der Todesstrafe ist nach Expertenmeinung „sehr ernst“ zu nehmen. „Die Inhaftierten sind in der Tat in großer Gefahr“, sagte Andreas Rieck vom Deutschen Orient-Institut in Hamburg. Sakib gelte als einer der Hardliner des Taliban-Regimes. Diese Ultrafundamentalisten verfolgten mit einer möglicherweise harten Bestrafung der Ausländer hauptsächlich zwei Ziele: die eigene Bevölkerung einzuschüchtern „und eine Retourkutsche gegen den Westen zu fahren“. Bislang waren Beobachter davon ausgegangen, dass die ausländischen Entwicklungshelfer höchstens mit einer kurzen Haftstrafe und anschließender Ausweisung zu rechnen hätten. Diese Bestrafung für Nichtmuslime sieht ein Dekret des Anführers der Taliban, Mullah Omar, vor. Rieck wies darauf hin, dass derartige Dekrete nicht mit festen Gesetzen vergleichbar seien und schnell widerrufen werden könnten.