Die Baustellen der Bundesliga

■ Am Wochenende starten die norddeutschen Handballklubs in eine schwere Erstliga-Spielzeit

Wer vom Handball im Norden berichten will, muss zunächst über Baustellen sprechen. Denn in Kiel und Flensburg wird zurzeit gehämmert, geschraubt, gebohrt und gebaggert, was das Zeug hält. Handwerker haben die Sportstätten des THW Kiel und der SG Flensburg-Handewitt in Beschlag genommen. Und sie haben es eilig, denn bis zum Heimspiel des THW gegen den SC Magdeburg am 22. September soll die altehrwürdige Kieler Ostseehalle 10.000 statt bisher 7500 Zuschauer fassen. In Flensburg gönnen sie sich gar eine komplett neue Multifunktionshalle. Immerhin 6000 Besucher können sich dann die Begegnungen der SG anschauen. Der neue Spielplatz der Flensburger soll allerdings erst am 1. Dezember eingeweiht werden. Die Arbeiten an den Arenen der beiden Handball-Bundesligisten dürfen dabei ruhig auch symbolisch verstanden werden, wie THW-Manager Uwe Schwenker freimütig einräumt: „Wir befinden uns in einer Phase des Umbruchs.“

Umbruch. Baustelle. Aufbau. Worte, die auch den sportlichen Zustand der zwei Klubs vor dem Anpfiff der neuen Bundesliga-Saison am Samstag trefflich beschreiben. Denn in der vergangenen Spielzeit mussten die Ballwerfer aus Schleswig-Holstein zuschauen, wie ihnen die Konkurrenz den Rang ablief. Die SG Flensburg-Handewitt hatte das Nachsehen hinter dem SC Magdeburg und dem TBV Lemgo, während der THW Kiel – bis dato Abonnement-Meister und selbst ernannter FC Bayern des deutschen Handballs – nach einer komplett vergurkten Saison nur den fünften Rang belegte. Im kommenden Jahr trauen nur wenige Experten Kiel oder Flensburg den ganz großen Wurf zu. „Lemgo oder Magdeburg?!“ titelt gar das Fachblatt Handballwoche in seiner Saisonvorschau – und verweist auf eine Umfrage unter den Bundesliga-Trainern, bei der THW und SG im Kreise der Favoriten nur die zweite Geige spielen. Eine historische Zäsur für die beiden Nord-Klubs, die zuvor gemeinsam sieben fette Jahre lang unangefochten die Bundesliga dominiert haben.

Damit sie rasch wieder zu den Branchenführern des Handball-Gewerbes zählen, haben beide Vereine in diesem Jahr kräftig inves-tiert; nicht nur in ihre Hallen, sondern auch in ihre Mannschaften. Sieben Neuzugänge vermeldet allein der THW Kiel – darunter drei Torsteher. Den Kieler Kaufrausch löste die schwere Verletzung des bisherigen Stammkeepers Steinar Ege aus, der nach seinem Kreuzbandriss voraussichtlich die gesamte Hinrunde ausfällt. Mit dem Nationaltorwart Henning Fritz vom SC Magdeburg holte der THW jedoch mehr als adäquaten Ersatz. Fritz zur Seite stehen Martin Andersson vom FC Barcelona und Sören Haagen von der SG Flensburg-Handewitt, zwei Männer, die ebenfalls die hohe Kunst des Torstehens auf gehobenem Niveau beherrschen.

Tüchtig eingekauft hat der THW auch für seinen Rückraum, denn mit Nenad Perunicic verlässt ein Akteur den Klub, der sich in die Kategorie „Leistungsträger“ einstufen lässt. Mit dem spanischen Nationalspieler Demetrio Lozano vom FC Barcelona und Piotr Przybecki aus Essen gelangen den Kielern zwei spektakuläre Neuverpflichtungen. Getrübt wurde die Freude über dieses Schnäppchen allerdings durch die schwere Verletzung des Polen. In einem Vorbereitungsspiel zog sich der 29-Jährige einen Kreuzbandriss zu und fällt voraussichtlich für die komplette Hinserie aus. Seinen sommerlichen Einkaufsbummel ließ sich der THW trotzdem etwas kosten: Von 5,5 Millionen auf über 6 Millionen Mark steigt der Etat in dieser Saison an. Dennoch sind bei Uwe Schwenker die einst lauten Töne („Wir gewinnen alles“) den eher feineren Klängen gewichen: „Man kann eben nicht immer Meister werden.“

Die Worte Schwenkers dürften in den Ohren so mancher Flensburger wie Hohn klingen, bemüht sich die SG doch seit Jahren verzweifelt, zumindest einmal den Titel zu ergattern. Meist endete der Versuch mit einem zweiten oder dritten Rang für Flensburg und trotzig-mürrischen Jetzt-erst-recht-Parolen der Klubführung. Mit fünf neuen Spielern möchte der Verein in diesem Jahr den Meistertitel erringen. Spektakulärste Verpflichtungen sind dabei die Dänen Sören Stryger und Caspar Nielsen von GOG Gudme sowie der Nationalspieler Jörg Kunze (TV Großwallstadt). Kunze und Nielsen sollen dem zuletzt durchschlagsschwachen Angriff mehr Schwung verleihen, während Stryger den zu Ciudad Real abgewanderten Christian Hjermind ersetzen wird. Zunächst zweite Wahl bleiben die Torhüter Frode Scheie und Simon Meister.

Auch die SG Flensburg-Handewitt hat ihren Etat kräftig aufgestockt und gibt in dieser Saison 5,4 Millionen Mark aus. Dass seine Mannen nicht als Titelfavoriten genannt werden, ficht Trainer Erik Veje Rasmussen indes nicht an. „Ist doch gut, wenn uns keine Sau auf der Rechnung hat. Wenn die Mannschaft ihr Potenzial ausschöpft, kann sie Großes leisten“, verlautbart Rasmussen trotzig.

Derweil plagen den dritten Bundesligisten aus Schleswig-Holstein ganz andere Sorgen. Zwar gelang der SG VfL Bad Schwartau-Lübeck in der vergangenen Spielzeit mit dem Gewinn des DHB-Pokals ein großer Coup, dennoch hat der Klub finanzielle Sorgen. Wegen Verstößen gegen das Lizenzverfahren werden dem Verein am Ende der Saison gar vier Zähler abgezogen. Zudem gingen den Marmeladenstädtern mit Jonny Jensen (ThSV Eisenach) und Pierre Thorsson (Papillon Conversano) zwei vorzügliche Akteure verloren. Trainer Anders Fältnäs sieht die Lage daher nüchtern. „Wir kämpfen wohl gegen den Abstieg“, sagt der Schwede, nicht ohne rasch hinzuzufügen: „Der Verein befindet sich eben in einer Phase des Umbruchs.“ Matthias Anbuhl

Die Spiele des Wochenendes: SG Wallau-Massenheim – THW Kiel, VfL Bad Schwartau – SG Hameln (beide morgen, 18.30 Uhr), SG Flensburg-Handewitt – VfL Gummersbach (morgen 19.30 Uhr)