Weltkonzern der Schrebergärtner

Die globale Dienstleistungsgewerkschaft UNI will das „Gärtli-Denken“ überwinden – durch weltweite Vernetzung und den Austausch von Informationen

aus Berlin HEIDE PLATEN

Margo Pinder strahlt. Die Beobachterin von den Bahamas ist begeistert von der kämpferischen Rede des US-Amerikaners Philip Jennings, dem Generalsekretär des United Network International (UNI). Die Mauer in Berlin sei zwar weg, sagte Jennings, aber eine neue, weltweite Mauer sei „rund um Weltbank und Weltwährungsfonds“ in Washington gebaut. Er stellte sich vor die Globalisierungsgegner. Der G-8-Gipfel habe „nur wenige Worte verloren über die sozialen Anliegen“ in der Welt. Der Generalsekretär solidarisierte sich mit den Forderungen nach Schuldenerlass für die Entwicklungsländer und nach einer Steuer auf internationale Devisengeschäfte.

Margo Pinder sprach er damit aus der Seele. Sie ist Beobachterin auf dem ersten Kongress der globalen Dienstleistungsgewerkschaft UNI, die weltweit 1.000 Einzelgewerkschaften mit rund 15,5 Millionen Mitgliedern vertritt. Von Gewerkschaftsarbeit verstehe sie, sagt Pinder, bisher nicht viel: „Ich versuche zu lernen. Es ist großartig. Ihr Landsmann, der Gewerkschaftspräsident Shane Gibson aus Nassau, Bahamas, nimmt es gelassener. Die weltweite Organisation der Arbeitnehmer sei „sehr schwierig und kompliziert“. Aber er glaube an die internationale Solidarität, die sich in der Karibik und in Lateinamerika schon bewährt habe. Im Kommunikationsbereich, bei Post und Telefongesellschaften, seien inselübergreifend Informationen ausgetauscht und Einheitsverträge ausgearbeitet worden: „Die Menschen und die Interessen sind unterschiedlich, aber die Konzepte der Firmen in unserem Bereich sind weltweit dieselben.“

Auch die Schweizer Postgewerkschafterin Birgitta Bischoff warnt vor übertriebenen Hoffnungen: „Man muss mit den Füßen auf der Erde bleiben.“ Natürlich müssten die Einzelgewerkschaften weiterhin zu allererst die Interessen der Arbeitnehmer im eigenen Land vertreten. Dieses „Gärtli-Denken“ sei verständlich, „aber auch ein Hemmschuh“: „Wenn jeder nur vor seiner eigenen Türe kehrt, fällt uns der Dreck der anderen irgendwann vor die Füße.“ Derzeit hoffe man auf ein Frühwarnsystem durch die Zusammenarbeit mit Betriebsräten bei den bundesdeutschen Firmen der Post, die dabei seien, sich in der Schweiz einzukaufen: „So schlimm wie bei euch ist es bei uns noch nicht.“ Eine der Hauptaufgaben von UNI sei es, zum Beispiel durch den Austausch von Unternehmensentwicklungen und -plänen, „uns so zu helfen, dass wir uns nicht gegenseitig ein Bein stellen“.

Der australischen Delegierte Joseph Martin Riordan nimmt seinen Vorschlag zur Bekämpfung des Großkonzerns British American Tobacco selbst nicht ganz ernst: „Why smoke? Don't smoke!“ Er erhofft sich von UNI bessere Bedingungen für Leih- und Wanderarbeiter und Widerstand „gegen die Zerstörung der Natur“ in seinem Heimatland.

Bei der Kongresseröffnung am Mittwoch hatte Bundespräsident Johannes Rau (SPD) darauf hingewiesen, dass es zwar schwierig, aber notwendig sei, Arbeitnehmerinteressen über die eigenen Landesgrenzen hinaus zu vertreten: „Ich sehe in der Globalisierung, wie wir sie im Augenblick erleben, die Gefahr einer vertieften Spaltung der Welt.“ Internationale Gewerkschaften könnten „Gegenmacht und Ordnungsfaktor“ sein – im Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit, Ausbeutung, Kinderarbeit, für Gleichberechtigung, Schutz am Arbeitsplatz und „den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen“.

Generalsekretär Jennings hatte zu Beginn ein „Platzen der Internet-Blase“ prognostiziert: „Es rollt eine riesige Lawine um den Erdball, die Millionen von Jobs vernichten wird.“ Die 14.000 Arbeitsplätze, die durch die Fusion von Hewlett-Packard und Compaq verloren gehen, seien „Teil der fatalen Entwicklung“.

Der Kongress wird heute und morgen mit Arbeitssitzungen und Vorträgen zur Globalisierung, Formen gewerkschaftlicher Organisation und Rassismus fortgesetzt. Am Sonntag wählen die Delegierten ein neues Päsidium. Vorsitzende soll die Finnin Maj-Len Remahl werden.

Informationen: www.union-network.org