„Ist hier eine Chefin?“

■ Die 4. Informatica Feminale an der Uni Bremen zeigt: Computerfachfrauen kommen ganz schön weit. Nur ganz nach oben kommen sie selten / Zwei Wochen unter Frauen „tun gut“

Eigentlich sollte es eine Podiumsdiskussion werden, mit Fachfrauen aus den Bereichen Uni, Industrie und Selbständigkeit. Die sollten den Teilnehmerinnen der „Informatica Feminale“ aus ihren eigenen Erfahrungen berichten, wie sie aus ihrem universitären Fachwissen einen konkreten Arbeitsplatz gemacht haben, der sie im Idealfall ernährt und im Regelfall auch Spaß macht.

Die „Informatica Feminale“ ist die vierte Sommeruniversität für Frauen in der Informatik und läuftnoch bis zum 14. September an der Universität Bremen.

In Ermangelung eines Podiums erkärte Veronika Oechtering, Leiterin der Sommeruni, kurzerhand das Auditorium zum Podium. Deshalb raus aus dem Hörsaal, Ortswechsel: rund sechzig Frauen strömen in einen Seminarraum, schieben Tische beiseite und haben schnell einen Stuhlkreis gebildet. Darunter sitzen auch Brigitte Jellinek, Andrea Heck oder Cornelia Gschmack. Sie sind Frauen aus der Praxis, ihre Werdegänge sind mehr oder weniger verschlungen: Studienzeiten von 22 Semestern bei gleichzeitiger eigener Firmengründung oder ein Ausbildungsbeginn bei Audi mit 16 Jahren und ein Studium nebenbei. So oder so ähnlich klangen die Geschichten, die diese Frauen berichteten.

Brigitte Jellinek beispielsweise hat „früher auch mal als Hilfskraft an der Uni gearbeitet“. Aber als der Professor, für den sie gearbeitet habe, selbst ein Projekt „versemmelt“ habe und anschließend seine StudentInnen dafür angeschrien habe, war Jellinek klar: „Ich kann keinen Chef mehr über mir haben“.

Ihre Konsequenz: Gegen Ende ihres Informatik-Studiums hat sie sich mit FreundInnen, die alle genügend kleinere Programmier- und Schulungsaufträge hatten, mit einer kleinen Firma selbständig gemacht. „Wir sind kein Dotcom-Unternehmen, das verspricht aus einer Million viele zu machen. Und in den ersten zwei Jahren kamen wir mit dem Geld gerade so hin“, erinnert sich Jellinek. Aber jetzt laufe ihre Firma. Irgendwie hat sie auch noch parallel ihr Studium zu Ende gebracht, einfach um einen Abschluss zu haben. „Denn hast du keinen Abschluss, bist du in jedem Fall der Depp.“

Weil Frauen immer noch für die Familienarbeit zuständig sind, ging es dann um die oft hochgelobte Telearbeit. Von wegen hochgelobt. Eine Teilnehmerin, die bei der Telekomm arbeitet, berichtete zwar davon, wie positiv die Möglichkeit der Telearbeit für Frauen sei. Vor all zu großer Euphorie in Sachen Telearbeit warnte dagegen die selbständige Karriereberaterin Jasmin Döling-Wölm: Sie kenne einige Frauen aus ihrer Beraterinnen-Tätigkeit, an denen die nächsten Karriereschritte vorbei gegangen waren, weil sie zu Hause arbeiteten und in der Firma nicht präsent waren. „In der Regel kommt dabei heraus, dass die Männer weiter die festen Stellen bekommen, während Frauen Telearbeit leisten“, warnte Döhling-Wölm.

Teilzeitjobs gebe es immer noch am ehesten jenseits der Privatwirtschaft, also an der Uni, glaubte Veronika Oechtering. Da könne man sich die Zeit besonders frei einteilen. Sie ist Diplom-Informatikerinnen, noch ohne Promotion und arbeitet an der Uni Bremen. Aber auch in der Industrie werden Teilzeitarbeit und Väter im Erziehungsurlaub häufiger.

Alles prima also für Frauen? Nicht ganz. Nach wie vor sind nur etwa fünf Prozent der Informatikstudierenden Frauen. In der Lehre sieht es noch dünner aus. In Clausthal-Zellerfeld gibt es in der Informatik nicht nur keine Professorin, sondern auch keine Assistentin. Immerhin gebe es an der Uni Bremen derzeit freie C1-Stellen zu besetzen, so Renate Klempien-Hinrichs, die sich auch als Frauenbeauftragte um das Fortkommen von Frauen sorgt. „Ist eine hier Chefin?“, wurde irgendwann in die Runde gefragt. Schweigen. Dann, zögernd: „Mitinhaberin.“ „Mitinhaberinnen“ waren mehrere der Computerfachfrauen, Projektleiterinnen auch und Abteilungsleiterinnen – aber Chefin eines Unternehmens, ganz oben, niemanden mehr drüber: Fehlanzeige.

Auf die Frage, was Frauen zur „Informatica Feminale“ treibe, war die Antwort vorhersehbar: „Es ist einfach etwas Anderes, ausschließlich mit Frauen zu arbeiten. Frauen haben ein anderes Gesprächsverhalten und gehen besser miteinander um. In dieser Männerdomäne Informatik tut es einfach gut, mal fast zwei Wochen nur unter Frauen zu sein.“

Ulrike Bendrat