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: Der VfB, die Finanzkrise und die Ladehemmung

Ein sparsames 0:0

Es goss wie aus Eimern. Der Wind pfiff durch die Ränge. Zuschauer froren. Schieds- und Linienrichter pennten. Und auf dem grünen Geviert stocherten 22 Millionäre orientierungslos im Mittelfeld herum. VfB gegen Hertha: 0:0. Vorwärts und schnell vergessen, singen jetzt Spieler und Trainer im Chor. Doch die dritte heimische Nullnummer des VfB in Folge will nicht abgehakt, sie will analysiert sein. Denn sie hat tiefere Ursachen: Langsam wird offensichtlich, dass die heftige ökonomische Krise des Vereins auf die Spieler durchschlägt. Die materielle Schieflage im Überbau durchdringt alle Bereiche.

Noch rechnen Fachleute nach, ob der Verein 30, 40 oder 50 Millionen Mark an Verbindlichkeiten vor sich herschiebt. Ungeachtet der tatsächlichen Summe hat der Vorstand die Notbremse gezogen und ein drakonisches Sparprogramm verordnet. Entlassungen in der Geschäftsstelle, Entlassungen unter den Platzwarten, Kürzungen der Freikarten. Aber auch die Spieler müssen den Gürtel zwei Löcher enger schnallen. Teure Flüge gibt’s nur noch zu den Auswärtsspielen in Hamburg und Rostock. Die Unterbringung der Mannschaft erfolgt künftig – adieu Hilton! – in einfachen Mittelklasse-Hotels.

Das Sparpaket drückt natürlich auf die Psyche der Akteure und verbreitet jene schwabentypische Atmosphäre knauseriger Enge. Um es mit Kalle Marx zu sagen: Das mörderische Diktat der Ökonomie hat jeden Spielwitz begraben. Weil der Schwabe beim Sparen Fundamentalist ist, hat der Vorstand selbst die Textilien der Angestellten kontingentiert. Pro Saison darf der VfB-Profi nur noch fünf Trikots verbrauchen.

Und jetzt, lieber Leser, denken Sie bitte an das Herthaspiel zurück. Schweres Geläuf, weicher dreckiger Grund. Welcher VfB-Spieler mag da schon voll in die Zweikämpfe gehen und aggressiv die Grasnarbe durchpflügen, wenn er genau weiß: Das kostet mich ein ganzes Trikot. Das kriegt selbst der weiße Riese im Vollwaschgang nie wieder hin. Also hält man sich zurück und bringt eine Nullnummer sauber über die Zeit.

Zudem hätte jedes Tor mit anschließender Jubelarie und dem rituellen Bäuchlings-über-den-Rasen-Rutschen die kostbaren Leibchen total ruiniert. Auch das ligaübliche Trikot-über-den-Kopf-Ziehen nach geglücktem Torschuss strapaziert die Fasern und führt zu hochriskantem Verschleiß. Dann doch lieber wieder 0:0.

Letzte Meldung: VfB-Stürmer Ademar ist bei Karstadt vom Kaufhaus-Detektiv erwischt worden, wie er am Wühltisch ein T-Shirt in den Farben Rot-Weiß an sich nahm und im Anorak versteckte. Er sagte, er habe „vergessen zu bezahlen“. Armer VfB!

MANFRED KRIENER