Es wird getuschelt

Nach dem 0:2 gegen Schalke wähnen die eigenen Fans den FC St. Pauli schon wieder auf dem Weg in Liga zwei

HAMBURG taz ■ Eigentlich ungerecht, was da getuschelt wurde. „War das schon der Abstieg“, fragte nach dem Abpfiff leise, aber vernehmlich eine Stimme. Die Reaktionen der Umstehenden waren deutlich: „So etwas kann man doch nach fünf Spieltagen nicht ernsthaft behaupten“, sagten sie, aber ihre Gesichter waren zu Leichenmienen verzogen. Sie hatten ja schon erwartet, dass der Ausflug in die erste Liga nicht leicht würde, aber dass es gleich so bitter kommt, das wollten sie nun auch wieder nicht wahrhaben. Dabei hatte ihr Team doch ganz ordentlich gespielt: Der FC St. Pauli hatte in seinem Heimspiel gegen Schalke 04 einige gute, zwei hochkarätige und eine hundertprozentige Torchance – und über 90 Minuten die Blau-Weißen gut im Griff, jedenfalls sah es nur selten nach einem Klassenunterschied zwischen dem Aufsteiger und dem Vizemeister aus. Doch in den entscheidenden Momenten waren die Gelsenkirchener cleverer und die Hamburger zu dämlich. Darum geht der 2:0-Sieg der Schalker vollkommen in Ordnung. Darum darf man auf St. Pauli schon mal vom Abstieg flüstern.

Zwei individuelle Fehler kosteten den Hausherren einen Punkt. Denn, wenn man ehrlich analysiert, hätten sie in 180 Minuten kein zum Sieg nötiges Tor erzielt. Beim ersten Treffer durfte Sven Kmetsch, von Jörg Böhme mustergültig in Szene gesetzt, unbedrängt flanken und Victor Agali ebenso unbedrängt einköpfen. Beim zweiten Treffer des Nigerianers senste Deniz Baris an einer hohen Flanke vorbei – und wieder hatte Agali, alleine vor Torhüter Bulat auftauchend, keine Mühe zu vollenden. An das erste Tor wird sich Vorbereiter Kmetsch noch eine Weile erinnern: Er rutschte in eine Werbebande und zog sich eine tiefen Schnittwunde zu, bei der Muskeln und Sehnen durchtrennt wurden. „Es tut mir sehr leid für Sven“, bedauerte St. Paulis Manager Stephan Beutel den Abwehrspieler, „aber so etwas ist hier noch nie passiert.“ Das ist kein Kunststück, denn die Banden stehen erst seit dem Aufstieg so nah am Spielfeldrand.

Wenigstens kam das Hamburger Publikum in den Genuss, den eingewechselten Olaf Thon noch einmal am Ball erleben zu dürfen. Der bot allerdings auch keine ansprechendere Leistung als seine Mannschaftskollegen, sondern zeigte nur das Allernötigste. „Das war kein schönes Spiel heute, aber das brauchten wir auch nicht“, sagte Huub Stevens und verteilte artig die üblichen Komplimente an den Gegner: „Wir haben hier gewonnen, aber bei der Stimmung gelingt das nicht jedem.“

Am Ende des Matches blieb dem deutlich ernüchterten Pauli-Trainer Demuth nichts anderes übrig, als mit seinem Resümee wieder einmal zu beweisen, dass zumindst er in die erste Liga der Fußball-Weisen gehört: „Von den wenigen Chancen muss man mal eine versenken, sonst kann man nicht gewinnen.“ Und das ist genau das Grundproblem: Der Coach hat einfach keine Mannschaft, der man Erstligareife zugestehen würde. Insbesondere im Angriff mangelt es an allen Ecken. Zu unbedarft und zu ungestüm gingen Marcel Rath, Nico Patschinski und Toralf Konetzke in die Zweikämpfe, zu unkonzentriert zeigten sie sich beim Abschluss, als dass sie jemals Torhüter Oliver Reck hätten überwinden können. Und dass die verletzten Südamerikaner Matias Cenci und Marcao eine überzeugende Alternative sein könnten, daran glaubt bis zum Beweis des Gegenteils erst einmal niemand. Schon darum darf weiter getuschelt werden über die Chancen des FC St. Pauli, das Abenteuer Erste Liga zu überstehen. EBERHARD SPOHD

ST. PAULI: Bulat - Amadou (69. Mansourian), Stanislawski, Baris - Held (46. Rahn), Kientz, Meggle, Bürger, Bajramovic - Patschinski, Rath (63. Konetzke)SCHALKE 04: Reck - Hajto, van Hoogdalem, van Kerckhoven - Vermant, Oude-Kamphuis, Kmetsch (38. Thon), Böhme, Möller - Agali (80. Mulder), Wilmots (86. Büskens) Zuschauer: 20 725 (ausverkauft); Tore: 0:1 Agali (35.), 0:2 Agali (77.)