Wer Sicherheit verspricht, kann jetzt Geld machen

Ökonomisch hinterlässt das Attentat auf das World Trade Center nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner: Während Rückversicherungsunternehmen, Fluglinien und die Tourismusindustrie draufzahlen, profitieren Sicherheitsdienste, die Mineralölkonzerne, Goldminenbetreiber – und natürlich geschickte Spekulanten

BERLIN taz ■ Für die Versicherer ist der Anschlag auf das World Trade Center vermutlich die kostspieligste von Menschen verursachte Katastrophe, für die sie je Zahlungen zu leisten hatten. Sie gehören auf den ersten Blick zu den größten ökonomischen Verlierern des Terroraktes. Ähnlich wie die Fluggesellschaften und die Tourismusindustrie. Und das nicht nur, weil auch am Tag danach die Aktienkurse weiter rutschten.

Bei der Münchner Rück, die unter anderem an der Feuerversicherung des World Trade Center beteiligt ist, hieß es: „Eine zweistellige Milliardensumme – das erscheint schon seriös.“ So teuer waren bislang nur Naturereignisse wie Erdbeben und Wirbelstürme. Joseph Annotti vom US-amerikanischen Verband der unabhängigen Versicherer NAII sagte, die Gesamtsumme sei jedoch kaum abschätzbar. Gebäude und Flugzeuge seien „sehr hoch“ versichert, die Ansprüche aus Betriebsunterbrechungs-Versicherungen und auf Entschädigungen für verletzte und getötete Mitarbeiter jedoch unkalkulierbar. Ein „großes Brokerhaus in London“ nimmt an, dass sich die Forderungen insgesamt auf 10 bis 40 Milliarden US-Dollar belaufen werden.

Die weltweit größten Rückversicherer Münchner Rück und Swiss Re schätzten ihre Verpflichtungen auf „grob 1 Milliarde US-Dollar“. Das sei etwa die Belastung nach den Winterstürmen Lothar und Martin von 1999. Wegen der Verflechtungen auf dem Versicherungsmarkt dürften auch auf Allianz, AXA Zürich, Scor, Royal & Sun hohe Forderungen zukommen.

„Diese Unternehmen sind darauf eingestellt“, sagte Heidemarie Sherman vom Münchner ifo-Institut der taz. „Das ist ihr Geschäft. Sie haben mit Sicherheit Vorsorge durch Rückstellungen, Eigenkapital und Rück-Rückversicherungen getroffen.“ Branchenexperten erwarten jedoch auch, dass die Katastrophe langfristig zu steigenden Prämien auch bei Erstversicherungen und ihren Kunden führen wird.

Bei den Fluggesellschaften geht die US-Luftfahrtbehörde FAA davon aus, dass allein die heimischen Fluglinien täglich mehrere hundert Millionen US-Dollar an Umsatz verlieren. Die Lufthansa setzte 22 Flüge mit Ziel Kanada, USA und Tel Aviv ab, konnte aber nichts über Verluste sagen. „Wir kümmern uns darum, wie wir die Passagiere, die in Kanada festsitzen, wieder zurückholen können“, sagte Lufthansa-Sprecherin Weber.

Für Ifo-Sprecherin Sherman müssen Flug- und Toursimusbranche auch mit mittelfristigen Behinderungen leben. Wenn Ölpreis und Euro in Folge des Anschlags nachhaltig steigen sollten, bedeute das Mehrkosten. „Hinzu kommt die Psychologie: Das Vertrauen der Kunden in die Sicherheit dürfte gestört sein.“

Nach den Katastrophen von New York und Washington gibt es aber auch Gewinner – eben die Firmen, deren Produkte Sicherheit versprechen. Gold gilt als sicherer Hafen in Krisenzeiten. Die Aktien von Goldbergwerksfirmen stiegen denn auch schnell; der Preis für die Feinunze Gold schnellte bis zu 18 Dollar oder gut 6 Prozent nach oben und stabilisierte sich bei etwa 280 Dollar pro Feinunze. Die Investmentbank Goldman Sachs empfahl den Kauf von Sicherheitsdiensten und entsprechenden Technologieunternehmen. Allerdings hielten sich Anleger in aller Welt zurück, trotz der Rekordtiefststände der meisten Aktienwerte wurde kaum gekauft. Das war entweder Pietät oder Vorsicht.

Auch Ölkonzerne profitierten von der Spekulation, dass eventuell der Irak etwas mit der Sache zu tun haben könnte. Eine Militäraktion gegen den Irak würde die Fördermenge nach unten, den Preis und damit die Profite der restlichen Öllieferanten weiter nach oben treiben. Der Preis für ein Barrel Rohöl (159 Liter) blieb denn gestern anfangs noch über 30 Dollar, sank dann aber im europäischen Handel auf knapp 29 Dollar, etwa 1 Dollar mehr als vor der Krise.

Wirklich reich hätten bei dem Massaker nur die Mitwisser der Attentäter werden können: Sie allein wussten, dass die Weltbörsen in die Knie gehen würden, konnten sich denken, dass Gold und Öl massiv teurer würde. Mit Derivaten – Finanzwetten auf steigende oder fallende Kurse – lassen sich so Millionen von Dollar an einem Tag verdienen.

REINER METZGER/BEATE WILLMS