„Jetzt geht es um Aufbauarbeit“

Der Konjunkturexperte Jörg Beyfuß sieht durch zu erwartende schärfere Sicherheitskontrollen Reibungsverluste auf den Welthandel zukommen

taz: Herr Beyfuß, was bedeuten die Anschläge für die größte Volkswirtschaft der Welt?

Jörg Beyfuß: In den Tagen unmittelbar nach der Katastrophe wird es – natürlich mit Schwergewicht an der Ostküste – massive Produktionsausfälle und Störungen der Kommunikation in den gesamten USA geben. Dies führt zunächst zu deutlichen Produktionseinbußen – das dritte Quartal wird gesamtwirtschaftlich deutlich schlechter laufen, als es bislang erwartet worden ist. Im Anschluss an diese unmittelbaren Reaktionen sind andere Effekte zu erwarten: Es wird darum gehen, die Folgen der Katastrophe zu beseitigen – also Aufbauarbeiten. Andererseits wird es erhebliche Verschärfung der Sicherheitskontrollen in Häfen und Flughäfen geben, was für die amerikanische Wirtschaft einen bedeutenden Aufwand mit sich bringt.

Was bedeutet das für das Klima der Weltwirtschaft?

Zunächst: Wenn die USA zur Bewältigung dieser Katastrophe Finanzmittel aufwenden müssen, wirkt das konjunkturell positiv. Andererseits haben höhere Sicherheitskontrollen Reibungsverluste im Welthandel zur Folge. Höherer Aufwand bedeutet höhere Kosten.

Weltweit brachen die Börsen- und Finanzmärkte zusammen. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?

Plausibel erscheint, dass die Reaktionen vom Schock geprägt und deswegen Überreaktionen waren. Wie sich die Märkte weiterentwickeln, wird davon abhängen, welche politischen und wirtschaftspolitischen Entscheidungen von der amerikanischen Regierung getroffen werden.

Während viel über islamistische Täter spekuliert wird, hat Präsident Bush Vergeltung angedroht. Was würde ein solcher Vergeltungsschlag für die Weltwirtschaft bedeuten?

Wir müssen zunächst bilanzieren, dass sämtliche politisch Verantwortlichen im Nahen Osten ihr Bedauern und ihre Solidarität mit Amerika bekundet haben. Wenn es allerdings zu politischen oder militärischen Konflikten im Nachhinein kommen sollte, sind Störungen auf den Energiemärkten vorstellbar, die steigende Preise zur Folge haben. Das wäre in der Tat eine schlechte Nachricht für die Weltwirtschaft.

Hat die Katastrophe Auswirkungen auf das Konsumverhalten der Amerikaner?

Das ist schwer prognostizierbar. Einerseits wird das Konsumverhalten der Amerikaner sehr stark von den Entwicklungen an den Aktienmärkten geprägt. Andererseits: Wer die amerikanische Mentalität ein wenig kennt, der weiß, dass es bei Demütigungen dieser Art immer eine Haltung des „Dennoch!“ gibt. Diese Haltung hat sich in den ersten Reaktionen des Präsidenten gezeigt. Insofern glaube ich, dass man bei den weiteren konjunkturellen Entwicklungen mit dieser Reaktion der Amerikaner rechnen kann. INTERVIEW: NICK REIMER