In den Moscheen Gottesdienste für die Opfer

Muslimische Organisationen in Deutschland verurteilen die Anschläge in den USA und rufen Gläubige zur Besonnenheit auf. Die Angst vor Ressentiments gegen Muslime wächst

BERLIN taz ■ Unter den Muslimen in Deutschland herrscht Angst. Sie fürchten, dass ein möglicher radikal-islamistischer Hintergrund der Terroranschläge in den USA auch hier zu Lande islamfeindliche Ressentiments erzeugen könnte. Allein beim Zentralrat der Muslime sind innerhalb weniger Stunden zwölf Morddrohungen eingegangen. Um keine Zweifel an ihrem Mitgefühl mit den Opfern aufkommen zu lassen, haben inzwischen eine Reihe muslimischer Organisationen in Deutschland die Anschläge scharf verurteilt. So spricht das Zentralinstitut-Islamarchiv in Soest „von einem barbarischen Akt“. Die Täter, heißt es dort, hätten sich außerhalb der menschlichen Gesellschaft gestellt.

Trotz der Gefährdung lehnt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Nadeem Elyas, einen Sonderschutz für muslimische Einrichtungen ab. „Wir wollen uns nicht aus der Normalität verabschieden und werden keineswegs wie muslimische Organisationen in den USA empfehlen, in den nächsten Tagen zu Hause zu bleiben.“ Allerdings fürchtet Elyas, dass der interreligiöse Dialog durch die Anschläge gestört werde.

Beim Islamrat in Bonn, von der islamistischen Milli Görüs dominiert, sind bislang noch keine Drohungen eingegangen. Die Muslime empfänden die Attentate ebenso schrecklich wie die Mehrheitsgesellschaft und stünden unter Schock, betont sein Vorsitzender, Hassan Özdogan. Er erinnert daran, dass sich unter den Opfern des World Trade Centers auch viele Muslime befänden. Derzeit werden in den Moscheen des Islamrats Fürbittgottesdienste für die Opfer der Anschläge abgehalten.

Wesentlich alarmistischer als der Islamrat meldet sich das Internet-Forum Muslim-Markt zu Wort: „Muslimische Organisationen und Webbetreiber werden mit Hassmail bombardiert“, heißt es unter www.muslim-markt.de. Die Betreiber des Muslim-Markts appellieren an die Gläubigen, „auf keinen Fall mit Gegenhass“ auf islamfeindliche Äußerungen zu reagieren. „Wer sich nicht beherrschen kann, wer nicht in der Lage ist, auf Beschimpfungen und Hass besonnen zu reagieren, der solle sich am besten zurückziehen.“ Das Forum, das in vielen Beiträgen der Hisbullah nahe steht, verurteilt die terroristischen Anschläge. Diejenigen, die diese Attentate durchgeführt hätten, wollten offensichtlich dem Islam und den Muslimen weltweit großen Schaden zufügen.

Viele Gesprächspartner wollen namentlich nicht zitiert werden. Sie geben nur zu verstehen, dass die Stimmung unter den Muslimen angespannt ist, vor allem bei denen, die zum Beispiel durch das Kopftuchtragen als solche zu erkennen sind. Groß ist das Misstrauen gegenüber der Presse: Sie suche nur Zitate, so wird unterstellt, um die Islamfeindlichkeit anzuheizen.

Huda, ein Netzwerk für muslimische Frauen in Bonn, sieht bis auf weiteres keine Probleme für Muslimas. „Allerdings“, so eine Mitarbeiterin, „meinen Namen möchte ich Ihnen aus Angst vor Reaktionen lieber nicht nennen.“ Auch die Islamische Föderation in Berlin verweigert ein Statement zu Ressentiments gegen Muslime: Die Sache, heißt es, sei zu heiß. EBERHARD SEIDEL