Downtown verkaufen sie Brocken der Twin Towers

JFK-Airport in New York: Tobias Conrad ist einer von normalerweise 32.000 Passagieren, die täglich abgefertigt werden. Normalerweise

NEW YORK taz ■ Tobias Conrad sitzt an einem weißen Plastiktisch in einem Speisesaal, der von vier Fastfood-Restaurants begrenzt wird. Neonlicht spiegelt sich im blank gewienerten Boden. Der Hamburger Student hält sich an einem Becher Cola fest. Er kommt gerade aus New Jersey.

Vier Tage ist Conrad unterwegs. „Ich war bei einem Freund in Tennessee, wollte ein paar Dollar sparen. Mit dem Greyhound Bus nach New York rübermachen und vom JFK abfliegen.“ Das war geplant. Als die beiden Boeings in die Twin Towers einschlugen, war Conrad in Philadelphia. Greyhound lenkte alle Busse Richtung New York um in eine kleine Station nach Fort Laurel. „Wir standen 24 Stunden in dem Kaff. Keiner wusste, was los ist. Irgendwann hab ich mir ein Hotel genommen. 52 Dollar die Nacht.“ Conrad ist seit zwei Stunden am Flughafen.

Die Andenkenläden öffnen. Die Lobby füllt sich. Rosemarie Dolson aus San Jose hat vier Fimo-Broschen mit der Skyline von New York gekauft. Außerdem sechs Postkarten. „Das soll ich mitbringen, meint mein Mann“, sagt sie. Auf allen Andenken dominiert die Ansicht das World Trade Center. Sie lacht. „In Manhattan waren die Postkarten schon alle weg.“ Downtown verkaufen sie Bruchstücke der eingestürzten Twin Towers.

Tobias Conrad packt seinen Rucksack an die Seite. Der Speisesaal belebt sich. „Ich kann nicht mehr“, sagt Conrad. Er weiß immer noch nicht, wann und ob sein Flug geht. „Ich fliege mit Finnair. Die hätten wenigstens ein Schild aufstellen können. Oder jemanden vorbeischicken, der was weiß.“ Das Hemd von Conrad hat Schweißflecken unter den Armen. Ein Security-Mann mit weißen Handschuhen schaut in eine Zimmerpalme im Speisesaal.

Um 15.30 Uhr macht Tobias Conrad sich auf den Weg zum Finnair-Schalter. An einem Posten muss er sein Ticket zeigen. Dann kontrolliert der Zollbeamte Thomas Mauro seinen Reisepass und sein Visum. Hinter Conrad wartet ein altes Pärchen aus Deutschland. Sie sprechen kaum Englisch. Die Frau hat Tränen in den Augen. „Ich will nach Hause“, murmelt sie. Den beiden hilft ein junger Mann mit dunklen Haaren. Er übersetzt, trägt den Koffer. Der Zollbeamte fragt ihn nach seinem Ticket. „Ich hab keins. Ich helf den Leuten nur mit dem Koffer.“ – „Dann verschwinde, du hast hier nichts verloren.“

Nach zehn Minuten kommt Conrad zurück. „Nichts. Es geht kein Flieger. Heute nicht. Sie sagen, ich soll morgen wieder kommen. Schon wieder Geld für ein Hotel.“ Die Hotels in der Umgebung haben ihre Preise um bis zu 50 Prozent pro Nacht angezogen. Das Best Western ist das nächste Hotel am Flughafen. Hier kostet ein Zimmer 216 Dollar pro Nacht.

Es wird berichtet, den Tag über seien zehn Menschen festgenommen worden. Sie seien bewaffnet gewesen. Einer habe einen gefälschten Pilotenausweis bei sich gehabt. Ein Angestellter der American Airline sagt, es würde sowieso erst ab Freitag internationale Flüge abgefertigt. New Yorks Bürgermeister Rudolph Giuliani schließt gegen Abend alle Flughäfen aus Sicherheitsgründen. Conrad entschließt sich, am Flughafen zu übernachten. Dazu muss er zum Terminal 4. Nur dort ist die ganz Nacht auf.

Auf einem Bildschirm blinken die abgehenden Flüge für heute. Insgesamt sind vierzehn Flüge von Terminal 8 aus angesetzt. Normalerweise sind es über 100. Allein ein Flug wird starten. Nach Albany, der Hauptstadt des Staates New York .

DAVID SCHRAVEN