USA nicht allein

200.000 Menschen kommen zur Trauerkundgebung am Brandenburger Tor in Berlin. Bundespräsident Rau erhält Applaus für mahnende Worte

BERLIN taz ■ Bundespräsident Johannes Rau (SPD) sprach auf der gestrigen Kundgebung zum Gedenken an die Opfer der Anschläge in den USA den Berlinern aus dem Herzen. Gleich seine ersten beiden Sätze erhielten starken Applaus. „Nirgendwo wissen die Menschen besser als hier in Berlin, was Amerika für Freiheit und Demokratie in Deutschland getan hat. Wir könnten heute Abend nicht hier am Brandenburger Tor stehen ohne den Beistand Amerikas in schweren Zeiten.“

Etwa 200.000 Menschen waren dem Aufruf aller im Bundestag vertretenen Parteien unter dem Motto „Keine Macht dem Terror“ gefolgt. Mit großem Applaus nahmen sie auch Raus mahnende Worte auf, als dieser versicherte, Amerika stehe nicht allein. Rau betonte: „Wir werden und wir dürfen uns von niemandem dazu verleiten lassen, ganze Religionen oder ganze Völker oder ganze Kulturen als schuldig zu verdammen.“ Der beste Schutz gegen Terror, Gewalt und Krieg sei „eine gerechte internationale Ordnung“. Um seine Worte zu unterstreichen, zitierte er John F. Kennedy: „Wir wollen nicht der Macht zum Sieg, sondern dem Recht zu seinem Recht verhelfen.“

In der Menschenmenge waren viele amerikanische Fahnen und Transparente zu sehen mit Aufschriften wie „Gegen Terror“ und „God bless America“. Einige Teilnehmer hatten sich Pullover mit Stars and Stripes angezogen, andere hatten sich in amerikanische Flaggen gehüllt. Doch es gab auch Transparente mit der Aufschrift „Frieden“ oder „Keine Bomben auf Afghanistan“. Eine in Weiß gekleidete Schülergruppe trug eine große Friedenstaube aus Stoff.

Der US-Botschafter Dan Coats, erst seit wenigen Wochen in Berlin, zeigte sich bewegt von der Kundgebung. Amerika könne sich keinen verlässlicheren Freund als Deutschland wünschen, sagte er und erinnerte an die wechselvolle Geschichte Berlins, die Deutsche und Amerikaner gemeinsam durchgestanden hätten.

An der Veranstaltung nahm fast die gesamte politische Spitze Deutschlands teil, darunter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD). Altkanzler Helmut Kohl (CDU) entschuldigte sich mit Verweis auf ein Requiem für seine kürzlich verstorbene Frau.

Die Kundgebung fand unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt. Der Luftraum über dem Brandenburger Tor, an dem ein großes schwarzes Tuch mit der Aufschrift „Wir trauern“ hing, war in einem Umkreis von zweieinhalb Kilometern für den Flugverkehr gesperrt. Die umliegenden S- und U-Bahn-Stationen waren ebenso gesperrt wie die Kuppel und Dachterrasse des Reichstags. Die Polizei war mit 1.000 Beamten im Einsatz. B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA