Die Bedenkenträgerin der Demokraten

Eine Frau stimmt quer: Die demokratische Abgeordnete Barbara Lee hat als Einzige im Kongress gegen die Resolution gestimmt, die Präsident Bush zu Militäraktionen ermächtigt. Sie fordert Schuldbeweise statt Vorverurteilungen

„Ich habe mir den Kopf über diese Abstimmung zerbrochen. Die Übeltäter müssen bestraft werden, aber ich habe noch keinerlei Beweise gesehen.“ So lautet die Begründung von Barbara Lee, 55, kalifornische Kongressabgeordnete, die am Freitag als Einzige gegen die Resolution stimmte, welche Präsident George W. Bush zu militärischen Aktionen gegen die Urheber des Anschlags vom 11. September ermächtigt.

Diese einsame Rolle bei Abstimmungen ist für Barbara Lee nicht ungewöhnlich. Sowohl 1998 als auch 1999 stand sie allein auf weiter Flur, als sie gegen die Bombardierung Iraks beziehungsweise Jugoslawiens stimmte. Trotz ihres Engagements für Gewaltlosigkeit lässt sie sich aber nur ungern als Pazifistin oder Linke bezeichnen – sie hält nichts von derartigen Etikettierungen.

Die in Texas geborene und in Kalifornien aufgewachsene Abgeordnete appelliert zwar gerne an die Vernunft, aber so ganz ohne religiöse Hilfe geht es dann doch nicht. Ihre Entscheidung in dieser Abstimmung habe sie erst am Freitag während einer Messe für die Opfer des Anschlags getroffen, so Lee in der New York Times. Als jemand sagte, „wir sollten nicht werden wie das Böse, das wir beklagen“, war für sie die Sache klar.

Die Demokratin, die einen Master in Sozialarbeit hat, vertritt liberale und relativ linke Distrikte wie Oakland und Berkley. Überall, wo es im weitesten Sinne um soziale Gerechtigkeit geht, ist sie zu finden. Sei es der Kampf gegen Pharmakonzerne und die Ausbreitung von Aids unter Afroamerikanern oder das „unmenschliche“ Embargo gegen Kuba. Innenpolitisch kümmert sie sich vor allem um sozialen Wohnungsbau und Minderheitenprobleme. Dabei müsse sie, so Lee, die meiste Zeit damit verbringen, Geld aufzutreiben und dem Staat abzutrotzen.

Dennoch ist sie kein „Weichei“, wie sie nach der Abstimmung im Kongress von einem republikanischen Abgeordneten genannt wurde. Es werde der Tag kommen, an dem sie den Krieg gegen die Terroristen und gegen jedes Land, das mit diesen zusammenarbeitet, unterstützen wird, so Barbara Lee. Aber im Moment fehlen ihr einfach die Fakten.

CARMEN BECKER