Zum Abschied ein paar Cuba Libres

Zwei mutmaßliche Täter sollen vor den Anschlägen noch kräftig gebechert haben. Sonst galten sie bei ihren Nachbarn als schüchtern und freundlich

von ANTJE BAUER

Richard Surma und seine Frau Diane hatten einen guten Eindruck von ihren Gästen. Nett und höflich seien sie gewesen, sagten die beiden Inhaber des „Panther Motel“ in Florida der Washington Post. Etwas merkwürdig hätten sie nur gefunden, dass die beiden in ihrem Zimmer ein Bild mit einem Handtuch verhängten. Das Gemälde zeige eine Frau mit einer entblößten Schulter.

Was Richard Surmas dazu bewog, den Müll seiner abgereisten Gäste zu durchwühlen, wird nicht erläutert. Jedenfalls untersuchte er den Papierkorb von Marwan al-Shehhi und seinem unbekannten Begleiter und fand darin Bücher über Flugtraining, Luftkarten und Teppichmesser. Marwan al-Shehhi steht im dringenden Verdacht, der Pilot zu sein, der in den Südturm des World Trade Centers raste.

19 Luftpiraten will das FBI inzwischen ausgemacht haben und gab inzwischen eine Namensliste bekannt. Die meisten stammten vermutlich aus Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten, der jüngste war 21, der älteste 40. Manche waren allein stehend, andere hatten Kinder. Die meisten sind vermutlich mit Touristen- und Business-Visa ins Land gekommen, wie das FBI vermutet. Manche hielten sich seit Jahren im Land auf.

Marwan al-Shehhi war mit einem Touristenvisum nach Florida eingereist, hatte sich am 25. August im Panther Motel einquartiert und eine nahe gelegene Flugschule besucht. Am Freitag vor dem Attentat soll Shehhi zusammen mit Mohamed Atta und einem unbekannten Dritten in einer Kneipe in Florida gesehen worden sein, wo sie Cola-Rum und Wodka mit O-Saft getrunken hätten – obwohl im Islam Alkoholgenuss verboten ist. Al-Shehhi und der Dritte hätten jeder etwa fünf Drinks zu sich genommen, berichtete der Barkeeper der Washington Post, so dass er schon befürchtet habe, womöglich um die Zeche geprellt zu werden. Doch Shehhi habe ein Bündel Geldnoten ausgepackt und gesagt: „Ich habe kein Geldproblem, ich bin Pilot.“

Mit Mohamed Atta hatte Shehhi schon in Hamburg zusammengelebt, dritter Wohngenosse war dort Ziad Jarrahi, der in der Maschine saß, die in Pennsylvania abstürzte (siehe Kasten).

In einem Schließfach am Bostoner Flughafen fanden Ermittler nach dem Anschlag eine Reisetasche von Mohamed Atta. Sie enthielt einen saudischen Pass, einen internationalen Führerschein, Flughandbücher für Boeings, ein islamisches Gebetsbuch und einen Abschiedsbrief auf Arabisch. Darin erklärt er, er sei froh, zu sterben, denn auf diese Weise komme er als Märtyrer in den Himmel.

Dafür dass sich ein Großteil der Attentäter vor dem Anschlag in Florida aufgehalten hat, nennen die Ermittler drei Gründe: In Florida leben ohnehin viele Ausländer, die Araber mit ihrer dunkleren Hautfarbe fielen also nicht auf. Außerdem gibt es dort viele Flugschulen und es ist nicht ungewöhnlich, wenn jemand große Mengen Bargeld dabeihat. Flugschulen haben viele der mutmaßlichen Flugzeugentführer besucht, es besteht sogar der Verdacht, dass einige in US-Basen ausgebildet wurden. Nicht alle waren freilich erfolgreich bei ihren Kursen, manche erregten sogar Verdacht wegen ihres sehr selektiven Interesses.

Habib Zacarias Moussaoui, ein Franzose algerischer Herkunft, wurde von seinen Fluglehrern angezeigt, die es seltsam fanden, dass er nur horizontal steuern, nicht aber starten und landen lernen wollte. Nachdem ihn die Einwanderungsbehörde schon im vergangenen Monat wegen Verdachts auf illegale Einreise festgenommen hatte, wurde er nach dem Anschlag auf das Wolrd Trade Center vom FBI nach New York gebracht: Er habe nach dem Attentat in seiner Zelle Freudensprünge veranstaltet, hatte das Gefängnispersonal berichtet. Die Tageszeitung Libération schrieb, der französische Geheimdienst wisse von zahlreiche Reisen Moussaouis nach Afghanistan, auch habe er Kontakte nach Tschetschenien, wo Bin Laden vermutlich islamische Rebellen unterstützt.

Festnahmen aufgrund von Verstößen gegen die Einwanderungsgesetze scheinen ein probates Mittel der US-Behörden zu sein, Verdächtige auf unbestimmte Zeit festzusetzen. 25 Menschen werden mit dieser Klausel im Zusammenhang mit den Anschlägen an unbekannten Orten der USA festgehalten, gegen keinen von ihnen besteht bislang ein Haftbefehl. Mehr als 170 Menschen sucht das FBI im Zusammenhang mit dem Anschlag, gegen zwei Zeugen von „grundlegender Bedeutung“ für die Ermittlungen erging Haftbefehl.

In manchen Fällen sind auch Drogenfahnder bei den Ermittlungen behilflich. So wurden bei einer Drogenrazzia am vergangenen Donnerstag zwei angebliche Inder aus einem Zug in Texas geholt, die 5.000 Dollar in bar bei sich trugen und Teppichmesser der Art, wie sie die Flugzeugentführer benutzt und wie sie al-Shehhi und seinem Begleiter im Panther Motel hinterlassen haben. Über die Bestimmung des Haarfärbemittels, das die beiden Inder mit sich geführt haben sollen, herrscht angeblich noch Unklarheit.

Erkenntnisse hatte sich die Polizei auch vom Flugschreiber des Flugzeugs erhofft, das in Pennsylvania abstürzte. Doch er ist völlig zerstört und konnte keine Daten liefern. Dafür beginnt das FBI nun, die Korrespondenz der mutmaßlichen Hijacker aufzuspüren. Mehrere hatten Briefkästen angemietet, die das FBI zum Teil entdeckte und ausräumte. Auch auf das Internet haben die modernen Hijacker nicht verzichtet: In öffentlichen Büchereien sollen sie Zugang zum Computer bekommen und dort korrespondiert haben.

Wie weit die Ermittlungen des FBI gegen das Umfeld von Ussama Bin Laden schon in der Vergangenheit gegangen sind, zeigt sich am Fall zweier mutmaßlicher Hijacker. Drei Wochen vor dem Anschlag hatte das FBI die Warnung erhalten, dass sich zwei Männer aus dem Umfeld von Bin Laden, darunter ein Mann namens Khalid al-Midhar, in den USA aufhielten. Darauf kam die Behörde, nachdem im Jemen ein Mann ausgepackt hatte, der im Verdacht stand, vor einem Jahr bei dem Anschlag auf den US-Zerstörer Cole im Jemen beteiligt gewesen zu sein. Er berichtete über ein Treffen mutmaßlicher Terroristen im Januar 2000 im malaysischen Kuala Lumpur. Bei dem Treffen sei auch ein Cole-Attentats-Verdächtiger gewesen – und al-Midhar, den die Beamten jetzt auf der Passagierliste des Flugzeuges fanden, das ins Pentagon krachte. Vor dem Terror-Angriff hatte das FBI vergeblich nach al-Midhar gefahndet. Dabei war das Material der Behörden gar nicht so schlecht, wie ein Ermittler jetzt berichtete: „Wir haben dieses Treffen auf Video aufgenommen.“