Irgendwann geht es aufwärts

Nach dem Absturz der US-Börsen lässt sich die wirtschaftliche Rezession in den USA für die kommenden Monate wohl nicht mehr abwenden

von HANNES KOCH
und ANDREAS LAUTZ

Die Rezession in den USA ist wohl nicht mehr zu verhindern. Am ersten Handelstag der US-Börse, als die Aktien nach den Angriffen auf World Trade Center und US-Verteidigungsministerium massiv einbrachen, räumte auch US-Vizepräsident Dick Cheney ein, ein Abschwung sei „gut möglich“. Die Kursverluste entziehen Unternehmen wie Verbrauchern Milliarden Kapital, was zu geringeren Investitionen und einer nachlassenden Nachfrage führen dürfte.

Am Montag hatten die im Dow-Jones-Index verzeichneten Aktien der wichtigsten US-Unternehmen mehr als sieben Prozent ihres Wertes verloren. Obwohl der Rückgang noch geringer ausfiel, als von vielen befürchtet, verbuchte der Dow-Jones-Index damit doch den größten Tagesverlust seiner Geschichte. Besonders in den letzten Stunden, am späten Montagabend europäischer Zeit, verkauften die Investoren große Mengen Aktien, unter anderem von US-Fluglinien. Manche büßten die Hälfte ihres Aktienkapitals ein. Selbst die überraschenden und koordinierten Zinssenkungen durch die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank konnten die Börsen in den USA nicht ins Plus bringen.

Das Tief der Kurse spiegelt die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die in Folge der Terror-Angriffe von vergangener Woche zunehmen. Schlecht für die Konjunktur und damit für die Aussichten vieler Firmen ist, dass der Ölpreis steigt. Er übersprang gestern erstmals seit Anfang des Jahres wieder die Marke von 30 US-Dollar pro Barrel, sank jedoch im Laufe des Tages wieder auf 28 Dollar. Nicht nur die Höhe des Preises und seine Schwankungen bedeuten ein Risiko, auch die geringen Ölvorräte in den Lagern der nördlichen Wirtschaftsnationen sind von Nachteil – besonders, wenn es zu militärischen Auseinandersetzungen im Nahen und Mittleren Osten kommt.

Einige Branchen werden in Kriegszeiten stark unter dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zu leiden haben, das sich in der Zurückhaltung beim Konsum äußert. Auch während des Golfkrieges 1991 litt die US-Wirtschaft unter der mangelnden Nachfrage – ein Effekt freilich, der sich später in sein Gegenteil verkehrte und in den Boom der 90er-Jahre mündete. Jedenfalls meldete der US-Autohersteller Ford in den vergangenen Tagen, dass die Händler rund 50 Prozent weniger Neuwagen verkaufen als geplant. Der Konzern will seine Produktion für das dritte Quartal des laufenden Jahres deshalb um rund 100.000 Fahrzeuge auf etwa 820.000 senken.

Verschärfend kommt hinzu, dass die USA auch ohne die Anschläge von vergangener Woche einer Rezession gefährlich nahe gekommen waren. So konnten die Firmen ihre Produktionsstätten nur noch zu drei Vierteln auslasten – der niedrigste Wert seit 1983. Wenige Ökonomen stellen deshalb in Frage, dass das Bruttoinlandsprodukt in den USA im dritten und vierten Quartal 2001 schrumpfen wird, womit auch die akademische Definition einer „Rezession“ zutrifft.

Die Frage ist, wie lange der Abwärtstrend, der mit Japan und Südostasien auch andere wichtige Regionen der Weltwirtschaft erfasst hat, anhalten wird. US-Vize Cheney ist optimistisch: Schon Ende des Jahres werde die Wirtschaft, auch dank des Wiederaufbaus, anziehen. Heiner Flassbeck, Berater der UN-Handelsorganisation Unctad, formuliert skeptischer: „Eine lange kriegerische Auseinandersetzung kann für die Weltwirtschaft sehr problematisch werden.“

Da die militärischen Szenarien aber zurzeit kaum abzuschätzen sind, leistet sich Flassbeck, wie die Mehrheit seiner Ökonomen-Kollegen, eine gewisse Zuversicht. Die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank hätten genau das Richtige getan, indem sie die Zinsen massiv senkten. Im Moment, so Flassbeck, könne man aus geldpolitischer Sicht nicht mehr machen, um die Konjunktur anzukurbeln. Ein Übriges könnten die möglicherweise steigende Nachfrage nach Sicherheitstechnik und entsprechender Software sowie die Subventionsgelder bewirken, mit denen die US-Regierung die Fusion notleidender Fluggesellschaften unterstützt. Und nicht zuletzt kommt es auf die Seelenmassage für die Konsumenten an: Bundeskanzler Gerhard Schröder riet gestern allen, bloß nicht beim Kaufen nachzulassen.