Drin – und dann?

In den rund 1.000 Schulen Berlins stehen mittlerweile knapp 18.000 Computer. Jede Lehranstalt ist an das Internet angeschlossen. Doch wie sollen die schönen neuen Rechner nun eingesetzt werden und wer kann das überhaupt?

von TILMAN VON ROHDEN

Die Zukunft ist mobil. Jedenfalls wenn es nach Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) geht, die bis zum Jahr 2006 jeden Schüler mit einem transportablen Laptop ausgestattet sehen möchte. Doch sind die klammen Länder davon meilenweit entfernt. Der Deutsche Lehrerverband spricht deshalb von einer „Profilierungs-Fingerübung“.

In Berliner Schulen stehen laut der zuständigen Senatsverwaltung in den rund 1.000 Schulen knapp 18.000 Computer, jede Einrichtung ist an das Internet angeschlossen. Diese Fakten sind allerdings ein Zerrbild der traurigen Schulrealität.

„Das eigentliche Problem ist nicht die Ausstattung der Schulen, es fehlen pädagogische Konzepte“, fasst Thomas Isensee, Vorstandsmitglied in der Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und für Schulpolitik zuständig, die Situation zusammen. Der pädagogisch erfolgreiche Einsatz von Computern würde eine „völlig neue Schulkultur“ voraussetzen, die auf selbstbestimmtem Lernen, Motivation und Engagement beruhe. Darauf seien aber weder Schüler noch Lehrer vorbereitet. „Die Schüler sind zu unselbstständig, die Pädagogen unterrichten zu lehrerzentriert.“ Von der Senatsverwaltung dürfe man keine Konzepte erwarten: „Die wissen kaum, was ein PC ist“, so Isensee frustriert.

Die Analyse deckt sich mit dem Befund von Petra Wonsowitz, Chefredakteurin der bundesweit arbeitenden Internetplattform Lehrer-online. „Berlin hat sich viel Mühe gegeben. Ein eklatanter Mangel an PCs besteht nicht mehr, aber es mangelt an pädagogischen Einsatzmöglichkeiten.“ Lehrer-Online, vom Bundesministerium für Bildung gefördert, bietet Lehrern deshalb Schülerarbeitsbögen an, die das Internet integrieren.

Isensee hält diesen methodischen Ansatz für sinnvoll, weil die meisten Schüler das Internet sowieso privat nutzen würden. Allerdings würden solche Methoden nur breiten Eingang in die Schulpraxis finden, wenn die Lehrerschaft für einen computerunterstützten Unterricht qualifiziert sei. Doch da liegt es im Argen. Denn die Aktivitäten des zuständigen Landesinstituts für Schule und Medien (Lisum) würden bei weitem nicht ausreichen, so Isensee. Die GEW habe das Lisum-Angebot hochgerechnet: erst in 30 Jahren hätte bei dem derzeitigen Tempo jeder Lehrer eine Fortbildung durchlaufen.

Isensee befürchtet, dass in Zukunft „fleißig weitere Computer gekauft werden, die dann unausgepackt in der Ecke stehen“. Denn die Senatsverwaltung würde in der Regel keine professionellen Systemverwalter bezahlen, die für den Betrieb vernetzter Rechner notwendig seien. „Unter diesen Voraussetzungen sind allzu wenige Lehrer bereit, PCs in den Unterricht zu integrieren.“ Dabei seien die Pädagogen nach seinen Erfahrungen motiviert, sich auf neue Lehrerfahrungen einzulassen. An seiner Schule hätten sich 50 Prozent der Lehrer bereit erklärt, auf eigene Kosten einen PC-Kurs zu absolvieren.

Sollten Lehrer es wirklich einmal wagen, Rechner im Unterricht einzusetzen, stehen sie vor einem weiteren Problem, denn es gibt kaum geeignete Lernmaterialien. Die Schulbuchverlage haben zwar die neuen Herausforderungen angenommen, kämpfen aber dennoch auf verlorenem Posten.

Der Berliner Schulbuchverlag Cornelsen hat allein im letzten Jahr rund 70 Computerprogramme für Schüler aller Altersklassen veröffentlicht, hat aber kaum Chancen, sie in den Schulen zu platzieren. „Verarmte Länder wie Berlin verzichten weitgehend auf den Kauf von Programmen für die Schule, weil sie es sich nicht leisten können“, heißt es bei Cornelsen. Deshalb konzentriere man sich auf den „Nachmittagsmarkt“. Früher nannte man das Nachhilfe.

Damit verbunden, so Isensee, seien pädagogisch fragwürdige und langweilige Drill-Methoden, weil die Schüler mit den Programmen in jedem Fall alleine zurechtkommen müssten. Cornelsen verweist dagegen auf Neuentwicklungen, die ein hohes Maß an Interaktionen mit dem PC zulassen würden, räumt aber gleichzeitig ein, dass optimales Lernen ein trimedialer Prozess ist: zu Hause mit Büchern und CD-ROMs, im Unterricht im Gespräch und in virtual classrooms im Internet.

Isensee hat wenig Hoffnung, dass Deutschland in absehbarer Zeit mit den führenden skandinavischen Länder gleichzieht. „Es fehlt an baulichen Voraussetzungen in den Schulen, an Ideen und am Geld. Nur PCs kaufen reicht einfach nicht.“