Berufung auf Schwedisch

Am Montag wird in Göteborg erneut gegen einen 20-jährigen Berliner verhandelt. Hannes H. sitzt seit drei Monaten wegen Beteiligung an den Protesten gegen den EU-Gipfel in Haft. In einem anderen Berufungsverfahren wurde die Strafe verschärft

von HEIKE KLEFFNER

Drei Monate nach den Protesten gegen den EU-Gipfel in Göteborg, wird der Prozess gegen einen in Schweden inhaftierten jungen Berliner neu aufgerollt. Der 20-jährige Hannes H. war Anfang August in erster Instanz zu einer 15 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden.

Die Staatsanwaltschaft hatte ihm schweren Landfriedensbruch und Rädelsführerschaft vorgeworfen und die Anklage vor allem auf die Angaben eines Zivilpolizisten gestützt. Der Beamte hatte ausgesagt, er habe bei den Krawallen einen vermummten Mann beobachtet. Diesen habe er Stunden später von hinten auf der Straße wieder erkannt und daraufhin festgenommen. Zwar hielt der Vorsitzende Richter diese Aussage nicht ausreichend für eine Verurteilung. Zwei Schöffen stellten sich jedoch gegen die Meinung des Berufsrichters und votierten für die Haftstrafe.

Rechtsanwalt Jürgen Koch, der Hannes H. in Göteborg vor Gericht vertrat, bezeichnete das Urteil als „erschütternd“. Auch Andreas Köhn, stellvertretender Landeschef der Gewerkschaft Verdi, übte scharfe Kritik. Das Gericht habe in „einer Art Lynchjustiz nur nach Volkes Stimme geurteilt“.

Augenzeugen hatten unmittelbar nach der Verhaftung des nicht vorbestraften Berliners gegenüber der taz erklärt, Hannes H. sei aus einer friedlichen Gruppe weitab von gewalttätigen Protesten verhaftet worden. Nachdem der Mitarbeiter des DGB-Schulprojekts „Courage“ in der ersten Instanz sämtliche Vorwürfe bestritten hatte, legte sein Rechtsanwalt Revision ein.

Zur Verhandlung vor dem Göteborger Berufungsgericht am Montag wird eine Gruppe von Prozessbeobachtern, darunter der Geschäftsführer des Republikanischen Anwaltsvereins sowie ein Vertreter von Verdi und der Berliner Rechtsanwalt Volker Ratzmann, anreisen. Sie sind auch besorgt darüber, dass Hannes H. noch immer in Einzelhaft festgehalten wird. „Die Isolation und die eingeschränkten Besuchsrechte für Angehörige und Freunde belasten Hannes sehr“, berichtet Maria Schulz vom Berliner Solidaritätskomitee. Auch wenn sie fest davon überzeugt ist, „dass angesichts der Beweislage eigentlich nur ein Freispruch möglich ist“, befürchtet sie Schlimmstes. Erst am Mittwoch hatte ein Göteborger Berufungsgericht im Fall des 25-jährigen Berliners Björn B. das erstinstanzliche Strafmaß von 15 Monaten auf zwei Jahre erhöht.