Georg Gafron schießt scharf

Der Medienchef mahnt per Anzeigen seines Senders „Hundert,6“ vor der sozialistischen Gefahr. Weil die „Berliner Zeitung“ die nicht druckt, agitiert er nun gegen deren Verlag

Eine Anzeigenserie mit Motiven des Mauerbaus dominiert seit kurzem das Stadtbild: „Berlin darf nicht vergessen“ steht darauf in blutroten Lettern und: „Keine Macht den Tätern“. Was wie eine CDU-Kampagne gegen die mögliche Regierungsbeteiligung der PDS wirkt, stammt in Wirklichkeit aus den Redaktionsräumen des Radiosenders Hundert,6. Verantwortlich dafür ist Georg Gafron, in Personalunion Geschäftsführer von Hundert,6 und tv.Berlin, sowie Chefredakteur des Springer-Blattes BZ.

Diese neue Episode des persönlichen Kreuzzugs Gafrons gegen alles Böse und Sozialistische hätte wohl wenig Aufsehen erregt, hätte nicht der Berliner Verlag (Berliner Zeitung, Kurier) den Abdruck eines Motivs der Serie abgelehnt. „40 Jahre DDR: 960 Flucht-Tote, 250.000 politische Gefangene, 33.755 an den Westen verkaufte Häftlinge, 8.500 verrottete, umweltverseuchte VEB-Betriebe“ steht auf der Anzeige, die Torsten-Jörn Klein, Geschäftsführer des Berliner Verlages mit der Begründung zurückwies, sie „spalte die Stadt“.

Dies fasste Gafron als Kriegserklärung auf – und schießt seitdem aus allen Rohren gegen den Berliner Verlag. Dazu nutzt er nicht nur die Radiowellen von Hundert,6, sondern auch die Seiten der B.Z.

Dort war am Mittwoch ein – namentlich nicht gekennzeichneter – Artikel zu lesen, der Gafrons Position im Wortlaut wiedergibt. Es sei „bedenklich“, heißt es da, wenn der Berliner Verlag „Bekenntnisse zur Demokratie und gegen Extremismus für nicht druckfähig“ halte. Gafron wird im B.Z.-Text stets nur als Geschäftsführer von Hundert,6 angeführt, dass es um den eigenen Chefredakteur geht, verschweigt das Blatt.

Während dort immerhin noch vorsichtig formuliert wurde, forderte Radio Hundert,6 seine Hörer auf, Verlagschef Klein persönlich anzurufen. „Anzeigenzensur in der Berliner Zeitung“, tönte es über den Äther – und: „Sagen Sie dem Verlagsgeschäftsführer des Berliner Verlages selbst Ihre Meinung. Rufen Sie ihn an.“ Die Nummer folgte.

Torsten-Jörn Klein, dessen Titel Marktführer im Ostteil der Stadt sind, will nach Presseberichten die Angriffe „mit Missachtung strafen“. Er hoffe aber, dass der Vorfall „endlich eine Diskussion über die Medienkonzentration in der Stadt“ anstoßen werde.

Der Axel Springer Verlag scheint die Kampagne zumindest nicht abzulehnen. Eine Sprecherin gestern zur taz: „In der Sache stehen wir hinter Herrn Gafron.“ Zu den Vorgängen bei Hundert,6 könne sie sich jedoch nicht äußern. Dort ist zu hören, Gafron habe rechtliche Schritte eingeleitet, darüber hinaus hieß es nur: „Kein Kommentar.“ Der Kreuzzug ist noch lange nicht zu Ende. DANIEL FERSCH