Die Allergie, die keine ist

Gefährlich geschwollen: Die Erbkrankheit Heriditäres Angioödem wird oft von Ärzten nicht erkannt und falsch behandelt  ■ Von Sandra Wilsdorf

Manchmal halten Ärzte es für eine Magen-Darm-Grippe, manchmal für eine Blinddarmentzündung, meistens aber für eine Allergie. Die entsprechenden Behandlungen helfen entweder nicht oder machen es sogar noch schlimmer, das Heriditäre Angioödem (HAE), die unkontrollierte Schwellung von Haut und Scheimhäuten. HAE-Patienten haben einen Mangel an dem Protein C-1-Esteraseinhibitor, das für Immunsystem und Entzündungshemmung wichtig ist. In Deutschland werden gut 200 Patienten auf diese Erbkrankheit behandelt, es leiden vermutlich über 5000 darunter.

Eine von ihnen ist Denise Goldmann. Sie war sieben Jahre alt, als der Schubs gegen eine Mauer ihr Gesicht so zuschwellen ließ, dass sie nichts mehr sehen konnte, Schwellungen ihre Hände unbeweglich machten und sie tagelang unter Magen- und Darmkoliken litt. Die heute 29-Jährige hatte dabei noch so etwas wie Glück: Ein Arzt hatte die richtige Idee und untersuchte auf HAE.

Die meisten HAE-Kranken werden jahrelang mit Cortison auf Al-lergien behandelt – nutzlos bis gefährlich. Viele von ihnen fühlen sich nicht ernst genommen. Dabei kann HAE auch tödlich verlaufen, wenn die Luftröhre zuschwillt. Denise Goldmann lebt inzwischen mit den regelmäßigen Ausbrüchen der Krankheit. Freude, Ärger, Stress: Alles was vom Gleichmaß abweicht, kann eine Attacke auslösen. Dann spritzt sich die Krankenschwester eine der Protein-Ampullen, die sie immer im Kühlschrank hat. Manchmal hilft das, manchmal nicht. Dauerhaft lässt sich der Esteraseinhibitor-Spiegel nicht einstellen.

Dennoch sind die Ampullen „schon ein großer Fortschritt. Meine Kindheit habe ich fast komplett im Krankenhaus verbracht“, erzählt sie. Das war in Ostberlin, und „damals gab es nur eine einzige Ampulle, die in der Staatsapotheke lagerte.“ Und so gab es das Medikament nur in lebensbedrohlichen Notfällen. „Manchmal sah ich aus wie E.T. und habe mich nicht raus getraut.“ Heute hat sie einen Mann und einen kleinen Freundeskreis, „Leute, die mir ganz selbstverständlich Brote schmieren, wenn die Arme mal wieder steif sind.“ Sie wünscht sich Kinder, aber der Frauenarzt rät ab. „Das Risiko von Komplikationen wäre wohl groß.“

Wenn sie zehn bis elf Stunden schläft, keine zu häufigen Dienstwechsel hat und sich Ruhepausen gönnt, kann sie ein fast normales Leben führen. Damit andere das auch können, erzählt sie ihre Geschichte. Denn HAE kann durch einen einfachen Bluttest diagnostiziert werden – der Arzt muss nur darauf kommen.

HAE-Kranke haben 1997 eine Selbsthilfegruppe gegründet: Die HAE-Vereinigung e.V. Postfach 150322, 60063 Frankfurt oder HAE.SHG@t-online.de.

Am kommenden Mittwoch beantworten Expertinnen der Uniklinik Frankfurt vom 11 bis 13 Uhr Fragen zu HAE 069-630 18 30-30 und -29 .