„Borussia“ ist kein Vorname

■ Die Qual der Namenswahl kann zu „Mico Skiddy Chaota Chani Santana Morgen“ führen und zu Konflikten mit dem Standesamt. Bremer lieben Marie und Alexander

„Crazy Horse“ durften die indianerbegeisterten Eltern ihren Sohn nicht nennen. Robin Tashunka Witka schon, denn das ist die ursprüngliche indianische Version des Namens. Die Existenz des Namens konnte an einer historischen Figur nachgewiesen werden. Das ist eine der wenigen Voraussetzungen im deutschen Namensgebungsrecht. Grundsätzlich ist die Vornamenswahl in der Bundesrepublik frei. Der Vorname muss nur als solcher eindeutig erkennbar sein, keinen Zweifel über das Geschlecht der Person lassen und er darf keinen Anlass zum Spott geben, so wie beispielsweise Borussia. Anders als Bavaria wurde das lateinische Wort für Preußen den enttäuschten Eltern nicht als Vorname für ihre Tochter gestattet, weil es zu sehr an den Fußballverein erinnert.

Neun lange Monate zerbrechen sich Elternpaare oft den Kopf über einen geeigneten Namen für den Sprößling. 90% entscheiden sich dabei für traditionelle, oft auch biblische Namen. In Bremen stehen Marie, Sophie, Laura, Lea, Sarah und Lena auf der Mädchen-Hit-Liste. Bei den Jungen sind Alexander, Leon, Niklas, Maximilian, Daniel und Jan die Renner. Nur 10% der Eltern suchen nach außergewöhnlichen oder exotischen Namen und müssen diese oft auch erst vor Gericht erkämpfen, so z.B. die Eltern von Pepsi Carola, denen Pepsi-Cola untersagt wurde.

„Bremer Eltern sind da eher konservativ“, sagt Kirsten Röder vom Standesamt Bremen-Mitte. „Wir haben hier keine Winnetous oder Pumuckls und können uns mit den Eltern immer einigen.“Die große Mehrzahl der Eltern gibt ihrem Kind nur einen oder zwei Vornamen. Mehr als sieben sind nicht erlaubt. Das extremste Beispiel eines nicht nur langen, sondern überdies ausgefallenen Namens, welcher Gabriele Rodriguez, Namensforscherin an der Universität Leipzig, begegnet ist, ist Mico Skiddy Chaota Chani Santana Morgen. Er wurde von der Philologin Rodriguez, die Eltern die Existenz von in Deutschland nicht registrierten Namen nachzuweisen hilft, bestätigt. Standesbeamte haben nur das Internationale Handbuch der Vornamen zum Nachschlagen, das exotische Namen oft nicht kennt. Monatlich 350 Fälle bearbeitet Rodriguez an der einzigen Universitätsstelle für Namensberatung in Deutschland.

„Meistens haben die Eltern Erfolg, wenn sie einen Namen neubilden, weil er zumindest in einer ähnlichen Schreibweise in irgendeiner der zahlreichen Sprachen auf der Welt vorkommt“, erklärt Rodriguez. Doch oft müssen Kinder auch vor den Verrücktheiten ihrer Eltern beschützt werden: Ogino, Störenfried, Sputnik, Schnucki, Grammophon und Bierstübl sind von den Standesämtern abgelehnt worden. Selbst in den USA, wo es keine Beschränkungen für die Namensgebung gibt und ehemalige Hippies ihre Tochter ohne weiteres „Revolutionary Hope“ nennen können, wurde kürzlich über eine Schutzregelung nachgedacht. Ein Elternpaar hatte beantragt, den Sohn „Fuck me“ zu nennen.

Den Grund für die Exotisierung der Vornamen sieht Rodriguez in der Globalisierung: „Der anglo-amerikanische Einfluss, bi-nationale Ehen und Einwanderer sorgen dafür, dass Namen aus aller Welt bei uns bekannt werden“. Das sei allerdings kein neues Phänomen. Schon im 12. Jahrhundert, als die Heiligenverehrung aus dem romanischen Raum auch nach Deutschland kam, wurden die altdeutschen Namen wie Eberhardt, Siegfried, Friedrich und Konrad durch hebräische, lateinische und griechische Namen (David, Markus, Felix, Philip) ersetzt, die damals noch als fremd, heute als traditionell deutsch empfunden werden. Ein aktuelles Beispiel für die Eindeutschung eines Namens ist Jasmin. Der ursprünglich persische Name geht heute als deutsch durch.

Übrigens: Am 20. September eröffnet die Leipziger „Galeria Kaufhof“. Für an diesem Tag geborene Kinder, die von den Eltern Galeria genannt werden, gibt's ein 5.000-Mark-Sparbuch. Nina Gessner