Seid ihr gut drauf, Bremäääään?

■ Thumb und andere Bands rockten im Aladin/Tivoli das Smash 2001

Die üblichen Widrigkeiten verhinderten ein rechtzeitiges Erscheinen. So bekam ich nur noch die letzten Positionen des Programms von „Smash 2001“ im Aladin/Tivoli zu sehen. Da roch es schon so seltsam nach Nachgeburt, gewissermaßen. Thumb, die für den ers-ten Crossover-Hype vor zehn Jahren zu spät kamen, dürfen jetzt als Ersatzgründerväter die Headliner von Festivals spielen. An ihrem hüpfbetonten Crossover hat sich in all der Zeit nichts getan, aber das ist schließlich kein Problem, wenn man mag, was sie tun. Und wer sich mit diesem gut gelaunten Party-Sound nicht anfreunden konnte, war ohnehin falsch auf dieser Veranstaltung, auf der es wenig anderes zu hören gab.

In Ermangelung eigener Urteile darüber sei kolportiert, dass zumindest die nationale Hardcore-Hoffnung Waterdown und die punkro-ckenden Beatsteaks aus Kreuzberg auch ein älteres Publikum für sich einnehmen konnten. Der Rest war Leutseligkeit in hoher Dosierung. Dem Crossover der erwähnten Thumb, aber auch dem der Emil Bulls und Pain In The Ass (alias Such A Surge) ist die Party dermaßen immanent, dass ihr kaum zu entkommen ist. Allerdings und infolgedessen waren zu guter Letzt selbst beim geneigten Publikum gewisse Ermüdungserscheinungen unverkennbar – es ist schließlich anstrengend, fünf Stunden am Stück (fast) das Gleiche zu hören, ohne zwischendurch mal kurz vor die Tür gehen zu dürfen. Pain In The Ass hatten dann auch schon damit zu kämpfen, dass ihr Publikum mit Stromgitarren mehr als grundversorgt war, und der Thumb-Frontmann aktivierte immerhin die ganze in solchen Fällen aufzubringende „Seid ihr gut drauf“-Rhetorik inklusive ostentativem „Bremääään!“-Geschrei.

Für gewöhnlich schätzt das Publikum solcher Veranstaltungen derlei Annäherungs- und Umarmungsversuche. Noch mehr schätzt es anscheinend, so etwas wie Sinn im Sinne eines Worts zum Sonntag vermittelt zu bekommen. Aufs Schönste führte Thumb-Sänger Claus Grabke dies (und damit auch das Publikum und vielleicht noch sich selbst) vor, als er gegen Ende der Show zum Endspurt animierte. Da skandierte dann auf einmal ein ganzer Saal voll junger Menschen „I won't sell out“ im Sinne von: „Ich werde mich nicht verkaufen“, und natürlich ist das albern, wenn es gar nicht zur Debatte steht, ob man am Montag wieder in der Firma ist. Anscheinend geht es nicht einmal am Samstagabend ohne den zumindest rituellen Verweis auf die eigene Moral.

Es folgte dann glücklicherweise doch noch ein ganz diesseitig-hedonistischer Abschluss: die kanadische Ska-Band Planet Sma-shers hatte es sich offensichtlich während der vorher gehenden Stunden hinter der Bühne mit alkoholhaltigen Getränken gemütlich gemacht. So wirkte ihre gute Laune erfreulich unkalkuliert, was wiederum einen erfreulichen Kontrast zum ständig die eigene Härte beschwörenden Crossover von Thumb und Kollegen darstellte.

Andreas Schnell