Keine Zeit für wichtige Fragen

 ■ Nicht mal eine knappe Stunde mehr Minuten blieben nicht für Grüne Antworten auf die Terroranschläge / Eine kurze, gehetzte Landesmitgliederversammlung

Die Tagesordnung ließ bereits heftige Wortgewitter ahnen: Erst die kurzfristig eingeschobene Diskussion zu den Terroranschlägen in den USA (als Top 0) und dann die Auseinandersetztung über das geplante Einwanderungsgesetz. Nur eins fehlte den Bremer Grünen auf ihrer Landesmitgliederversammlung zu diesen Themen. Und das war Zeit.

So wurden die Redebeiträge auf drei Minuten begrenzt, damit gestern nachmittag noch vor der Wahl in Hamburg der Finanzbericht und Landesvorstandswahlen abgehakt werden konnten. Weil sich aber kaum jemand an die drei Minuten hielt, und eine Erhöhung der Redezeit auf fünf Minuten abgelehnt wurde, musste schon beim Einwanderungsgesetz die Anzahl der RednerInnen begrenzt werden. Gut, dass da beinah Einvernehmen herrschte.

Höchst umstritten und zeitlich gedrückt war aber vor allem die Diskussion zu den Terroranschlägen. Einen eigenen Antrag hatten die Bremer Grünen nicht gemacht. Das einzige was als Tischvorlage gereicht wurde, war der Beschluss des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Bremen - und die damit verbundene Aufforderung an die Mitgliederversammlung, sich den DBG-Forderung gegen Krieg und unüberlegte Vergeltungsschläge doch einfach anzuschließen.

„Nicht mit mir“, meinte dagegen etwa die Bürgerschaftsabgeordneten Helga Trüpel. Die sich an Einzelheiten im DGB-Beschluss stieß, vor allem aber lieber einen eigenen grünen Antrag gehabt hätte - für dessen Diskussion an jenem Nachmittag allerdings erst Recht kaum Zeit gewesen wäre.

Andere waren „wegen seiner Kürze und Klarheit“ für den DGB-Antrag. Und warnten davor, dass die Grünen im Kriegsfall „in ganz bittere Zeiten“ kommen können, ihnen gar eine neue „Zerreißprobe“ drohen könnte. „Wir brauchen gute Nerven, aber auch die Fähigkeit, Nein zu sagen, wenn grüne Grundsätze negiert werden“, meinte etwas der ehemalige Bremer Senator Ralf Fücks.

Wieder andere sprachen sich zwar für die DGB-Punkte aus, aber mit weiteren Bedingungen wie zum Beispiel der Wahrung der Bürgerrechte. Die Ankündigung von schärferen Kontrollen in Punkto Innere Sicherheit und Zuwanderung stünden gegen das, „wofür wir 20 Jahre gekämpft haben - dabei ist nicht mal klar, dass die Maßnahmen etwas nützen würden“, kritisierte etwa der Bürgeschaftsabgeordnete Matthias Güldner. Und fordert, dass diese Punkte auch von „unserer Partei in Berlin viel häufiger angesprochen werden“.

Die aktuelle Krise könne aber auch Chance sein: Für internationalen Kooperation und Besinnung auf gemeinsame zivile Werte statt Amerikanischen Uni-Laterismus. Andere mahnten, dass „in Ruanda - auf dem verlorenen Kontinent - tausend krepieren“, aber nirgends die Fahnen auf Halbmast hängen. Und dann drängte schon die Abstimmung. Für oder gegen den DGB-Beschluss oder für einen veränderten Beschluss? Am Ende deutlich in der Mehrheit: die Anhänger des DGB-Texts.

Quasi nahtlos konnte da die Diskussion zum geplanten Einwanderungsgesetz angeschlossen werden. Dazu hatten der Landesvorstand - immerhin - einen eigenen Antrag vorgelegt und sich Unterstützung ins Haus geholt von der Bundes-Ausländerbeauftragten Marieluise Beck und Pastor Louis-Ferdinand von Zobeltitz von der Bremischen Evangelischen Kirche.

Der Entwurf aus dem Bundesinnenministerium sei „so strikt, dass ein Herr Kanther es nicht hätte durchbringen können“, kritisierte etwa Marieluise Beck. So würde sich die Situationen für geduldete deutlich Flüchtlinge schlechter. „Hochqualifizierte“ Migranten bekämen andere Rechte als gering Qualifizierte. Die Hürden für einen unbefristeten Aufenthaltsstatus lägen auch noch höher als bei Einbürgerungsanträgen - nur ein paar von vielen Kritikpunkten.

Auch für die Kirchen sei diese Vorlage ein „sozialer Skandal“, meinte von Zobeltitz. Er appellierte an die Grünen, „sich nicht in die Rollen des ewigen Bedenkenträgers drängen zu lassen“ und Kritik zu äußern, denn mit dieser Ansicht „sind sie nicht allein“.

Das Einwanderungsgesetz wird „zum Test, was uns diese Koalition wert ist“, glaubt auch Matthias Güldner. Wie viele Grüne leht er einen Kompromiss auf Kosten grüner Überzeugungen ab: „Kein Verbiegen bis zur Unkenntlichkeit“, dann lieber vorzeitiges Ende der Berliner Koalition. Einem Gesetz, das nicht wesentlich verbessert würde, dürften die grüne Minister und Fraktion nicht zustimmen, steht im Antrag - der bis auf zwei Enthaltung einstimmig eingenommen wurde.

Nicht viel Zeit aber ebenfalls Einmütigkeit blieben für die übrigen Tagesordnungspunkte. Wolfram Sailer kandidierte nicht wieder für den Landesvorstand. Gewählt wurden (der bisherige) Sprecher Klaus Möhle und Silvia Schön. Wiedergewählt wurde auch der bisherige Schatzmeister Peter Hons. Dorothee Krumpipe