Comeback für estnischen KP-Veteran

Er war der letzte Vorsitzende des Obersten Sowjets von Estland vor der Unabhängigkeit des Landes und erfreut sich ungebrochener Popularität in der Bevölkerung. Jetzt ist Exkommunist Arnold Rüütel neuer estnischer Staatspräsident

STOCKHOLM taz ■ Ein 73-jähriger KP-Veteran ist letzten Freitag zum neuen Präsidenten Estlands gewählt worden. Arnold Rüütel, als Vorsitzender des Obersten Sowjets Estlands in den Jahren von 1983 bis 1991 letzter Präsident der Sowjetrepublik vor deren Unabhängigkeit, feiert damit ein unerwartetes politisches Comeback. Sehr zum Kummer des bisherigen Präsidenten Lennart Meri, der nach Ablauf von zwei Amtsperioden nicht zur Wiederwahl antreten konnte und Rüütel als Exkommunisten öffentlich als „ungeeignet“ für das höchste Staatsamt bezeichnet hatte.

Eine spezielle Ironie der jetzigen Wahl Rüütels ist die Tatsache, dass das Parlament Estlands das jetzt geltende indirekte Präsidentenwahlsystem vor zehn Jahren auch deshalb verabschiedet hatte, um dem in der Bevölkerung populären „Altkommunisten“ einen Wahlsieg zu erschweren. Meinungsumfragen hatten schon 1991 eine Mehrheit für Rüütel für den Fall einer direkten Präsidentenwahl signalisiert. Eine Popularität, die sich der Ex-KP-Chef vor allem in der Landbevölkerung erhalten hat. Diese hat kaum von dem vor allem auf die Hauptstadtregion um Tallinn konzentrierten Wirtschaftsboom profitiert und ist daher mit der Politik der vorwiegend von Mitte-rechts-Koalitionen gebildeten Regierungen der letzten Jahre unzufrieden.

Nachdem es Estlands Parlament in drei Wahlrunden Ende August – vor allem wegen der Unfähigkeit in der regierenden Mitte-rechts-Koalition, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen – nicht gelungen war, mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit einen Präsidenten zu wählen, trat nach der Verfassung an dessen Stelle ein der deutschen Bundesversammlung nicht unähnliches Wahlgremium, das aus den 101 Parlamentsabgeordneten und zusätzlich 265 von Regional- und Kommunalvertretungen bestimmten VertreterInnen bestand. In diesem Gremium setzte sich Rüütel am Freitag mit 186 gegen 155 Stimmen gegen Parlamentspräsident Toomas Savi durch.

Die Befugnisse des Präsidenten sind in Estland verfassungsmäßig etwa zwischen denen in Deutschland und in Frankreich angesiedelt. Rüütels Vorgänger Meri konnte so beispielsweise mehrfach die Regierungsbildung aktiv beeinflussen und prägte deutlich das außenpolitische Profil des Landes. Im Ausland wurde er zum unbestritten populärsten estnischen Politiker. Rüütel ließ keinen Zweifel daran, dass auch er eine Hauptaufgabe darin sehen werde, Estland in die EU und die Nato zu führen. Er wolle aber deutlicher als bisher ein Sprachrohr der Interessen der breiten Bevölkerung sein. REINHARD WOLFF