Wichtig ist der Markt – die Tobin-Steuer muss warten

Die EU-Finanzminister diskutieren die Folgen der Anschläge für die europäischen Märkte. Hinhaltetaktik bei der Spekulationssteuer

LÜTTICH taz ■ Krisenmanagement in Lüttich: Wegen der Attentate in den USA stellten die Finanzminister bei ihrem informellen Treffen am Wochenende in Belgien die Tagesordnung um. Sie berieten vor allem darüber, wie in Zukunft verhindert werden kann, dass Terrororganisationen die internationalen Finanzmärkte und Banken zur Finanzierung ihrer Anschläge missbrauchen.

Gemeinsam mit den Notenbankchefs ordneten sie eine Untersuchung von Finanzbewegungen an, die im Zusammenhang mit den Anschlägen stehen könnten. Sie einigten sich auch auf Maßnahmen gegen Geldwäsche und Insiderhandel. In Zukunft sollen verdächtige Konten schneller eingefroren werden können. Der Chef der deutschen Zentralbank, Ernst Welteke, betonte, die gesetzliche Grundlage dafür gebe es in Deutschland bereits im 4. Finanzmarktförderungsgesetz. Der deutsche Finanzminister Hans Eichel meinte aber, dass „das gesamte Finanzsystem wesentlich transparenter“ gemacht werden müsse.

Spekulationsgerüchte

Nach den Anschlägen waren Gerüchte an den Finanzmärkten aufgekommen, es habe verdächtige Transaktionen gegeben, hinter denen Mitwisser der Angriffe auf das World Trade Center in New York stehen könnten. Sie sollen auf Verluste bei den Aktienwerten der Fluggesellschaften und der Versicherungen spekuliert haben. Es gab aber auch verdächtige Geschäfte auf dem Öl- und Goldmarkt, die „möglicherweise der Aufklärung bedürfen“, wie Ernst Welteke betonte. Die Ermittler hoffen, wenn sie diese Mitnahmeeffekte zurückverfolgen, möglicherweise auf die Spur derjenigen zu kommen, die die Anschläge finanziert haben.

Urprünglich hatten sich die Minister in Lüttich vor allem mit der Tobin-Steuer befassen wollen, die von Mitgliedern der Antiglobalisierungsbewegung gefordert wird, um die Folgen internationaler Finanzspekulationen zu mildern. Die belgische Präsidentschaft hatte ein Papier vorgelegt, in dem entsprechende Maßnahmen genannt werden. Nach Auskunft von Teilnehmern des Treffens stieß der Vorschlag bei den meisten Ländern auf Ablehnung. Es wurde lediglich ein kompliziertes Verfahren in Gang gesetzt, an dessen Ende die EU-Kommission mit der Arbeit beginnen kann. Diese Hinhaltetaktik wird bei den Globalisierungsgegnern auf wenig Begeisterung stoßen. Etwa 2.000 von ihnen demonstrierten am Wochenende in Lüttich. Der belgische Finanzminister Didier Reynders sprach mit Gewerkschaftsvertretern und sagte ihnen zu, dass sich die EU-Kommission mit den Folgen der Globalisierung befassen werde. Der deutsche Finanzminister Eichel betonte allerdings, dass „die überwiegende Zahl der Minister“ der Meinung sei, dass die Tobin-Steuer nicht zur Bewältigung der Probleme der Globalisierung geeignet ist.

Konjunktur-Sorgen

Erste Fortschritte gab es aber bei der seit Jahren geforderten EU-weiten Energiesteuer. Vor allem Spanien hat sich bislang allen Vorschlägen widersetzt, diese Umweltsteuer europaweit zu vereinheitlichen. Die Minister einigten sich nun darauf, beim belgischen Abschlussgipfel Ende Dezember in Laeken das Thema endlich anzupacken – zur Not auch ohne Spanien. Sollte kein einstimmiger Beschluss erzielt werden, wollen die Minister erstmals von der in Nizza eingeführten Möglichkeit Gebrauch machen, dass sich einige Staaten enger zusammenschließen als andere. Diese „verstärkte Zusammenarbeit“ beim Thema Energiesteuer wäre ein echter Durchbruch in einem Bereich, der seit Jahren durch den Zwang zur Einstimmigkeit blockiert ist.

Sorgen machen sich die Minister um Europas Konjunktur. EU-Währungskommissar Pedro Solbes kündigte an, dass das Wirtschaftswachstum „deutlich unter 2 Prozent“ fallen werde. Didier Reynders allerdings demonstrierte am Samstag öffentlich sein Vertrauen in den Euro: Er hob als erster Europäer Euro-Banknoten an einem auf dem Tagungsgelände eigens installierten Geldautomaten ab.K. DOELEKE, D. WEINGÄRTNER