„Was heißt hier Krise?“

Die Reaktion der Bundesparteien: Grüne reden schön, SPD erinnert FDP an ihre Verantwortung und CDU freut sich trotz eigener Verluste

BERLIN taz ■ Es gibt Fragen, die sind so offensichtlich, dass man sie gar nicht mehr stellen müsste. Trotzdem wurde der Parteispitze der Grünen gestern immer wieder diese eine, offensichtliche Frage gestellt: „Sind die Grünen in der Krise?“ Fraktionschef Rezzo Schlauch zuckte mit den Schultern und sagte: „Was heißt hier Krise der Grünen? Die ganze Welt ist in der Krise.“

Die Grünen wissen selbst, dass sie in einer schwierigen Situation sind. Die ganze Partei debattiert über die mögliche deutsche Beteiligung an Militärschlägen. Gleichzeitig wurde in Hamburg ein Lagerwahlkampf geführt. Da liegt es nahe, dass die Parteispitze die Verluste schönredet: „Wir haben nicht mehr verloren als bei allen anderen Landtagswahlen seit 1998 auch“, sagte Parteichef Fritz Kuhn. Die Kriegsdebatte sei nicht ausschlaggebend gewesen, betonen die Grünen immer wieder. „Wir haben keine Stimmen nach links verloren“, so Schlauch. Nur wenn Regenbogen oder die PDS gewonnen hätten, „dann müssten wir scharf überlegen“. So begnügt sich die grüne Führung mit der Erkenntnis, dass man Stimmen an Nichtwähler und SPD verloren habe.

SPD-Generalsekretär Franz Müntefering konnte in dem Hamburger Ergebnisse keine Konsequenzen für die rot-grüne Koalition auf Bundesebene erkennen. Er sehe eine „feste, stabile Koalition“. Es sei jetzt an der FDP, sich Gedanken zu machen, wie in den nächsten Jahren in Hamburg das Regieren aussehen solle. Die FDP habe „eine große Verantwortung“. Die Liberalen müssten sich klar werden, dass man bei der inneren Sicherheit „keine Dilettanten“ wie Richter Schill gebrauchen könne.

Für CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer stand die erste bundespolitische Konsequenz der Hamburg-Wahl schon schnell fest: Die Union müsse weiter die innere Sicherheit in den Mittelpunkt ihrer Wahlkämpfe stellen. Trotz des schwachen Ergebnisses der CDU gebe das Ergebnis „durchaus zur Zufriedenheit“ Anlass, „auch wenn es im bürgerlichen Lager zu Umschichtungen gekommen“ sei. Meyer zeigte sich überzeugt: „Ole von Beust wird der nächste Bürgermeister in Hamburg werden können.“ Berührungsängste mit dem Rechtspopulisten Schill hat er nicht: „Ich habe überhaupt keine Probleme, dass es hier zur Regierungsbildung kommt.“ Um die FDP, von der ein Machtwechsel abhängt, macht sich der Christdemokrat keine Sorgen. Sie werde sicher über 5 Prozent kommen. Ein Umschwenken der Liberalen auf eine Ampel mit SPD und Grünen schloss er mit einem fragwürdigen Argument aus: „Da setze ich ganz auf die Seriosität der Kollegen von der FDP.“

Die hielten sich gestern zurück. Parteichef Guido Westerwelle sagte nur: „Die Freien Demokraten sind wieder in der Bürgerschaft, das zählt, darauf trinke ich heute Abend.“ Mehr war ihm zunächst nicht zu entlocken. Kein Wort über das „Projekt 18“ – zu offensichtlich der Abstand zum vollmundig ausgerufenen Wahlziel von 18 Prozent für die Bundestagswahl. Denn dieser Abend hatte nur einen Star: „Schau mal“, raunte eine junge Liberale ihrer Nachbarin vor dem Bildschirm zu. „Schill verwirklicht unser Projekt 18.“ J.K./SEV/URB/PAT