Nigeria kriminalisiert Bürgerwehren

Die Führung der Miliz „Oodua People’s Congress“ in Lagos steht unter harten Anklagen vor Gericht. Was für die Bürger eine Selbstschutzorganisation gegen Kriminalität war, ist in den Augen des Staates ein verbotener bewaffneter Kampf

LAGOS taz ■ Ganiyu Adams konnte sich seiner Verhaftung nicht entziehen. Talismane, eine Bibel, ein getrocknetes Chamäleon und Puder halfen alles nichts. Ende August geriet der Chef der Bürgerwehr „Oodua People’s Congress“ (OPC) im Yoruba-Land in Nigeria in Polizeigewahrsam. Ein Langgesuchter sei nun endlich dingfest gemacht, sagte der Polizeipräsident von Lagos, Mike Okiro, triumphierend. Am Montag wurden in einem Gericht in Lagos die Anklagen gegen Adams, seinen Rivalen Frederick Faseun und neun weitere Angeklagte verlesen: Adams wurde unerlaubter Waffenbesitz vorgeworfen sowie die Führung einer verbotenen Organisation, die Menschen getötet und Eigentum zerstört habe – ein Anklagepunkt, der dem Landesverrat gleichkommt. Der Prozess wurde auf den 16. Oktober vertagt, Adams gegen Kaution freigelassen.

Der OPC, so die Darstellung der nigerianischen Behörden, war ein Zentrum für die jüngste Welle von Morden, bewaffneten Raubüberfällen, Autodiebstählen und anderen schweren Straftaten in Nigerias Wirtschaftsmetropole Lagos und anderen Orten im Süden des Landes. Aber für viele Bewohner ist es genau umgekehrt: Der OPC schützte die Bürger gegen Verbrecher. „Ganiyu Adams ist der Einzige, der mit seiner Bürgerwehr etwas gegen die Banditen getan hat. Jetzt wird es noch schlimmer“, sagt Ola Adeniran, ein Taxifahrer in Lagos.

Seit Ende der Militärherrschaft in Nigeria 1999 sind so genannte „ethnische Milizen“ in verschiedenen Regionen des Vielvölkerstaats immer populärer geworden. Die „Bakassi Boys“ und der „Igbo Peoples Congress“ haben in der östlichen Igbo-Region die Straßen und Märkte wieder sicher gemacht; der „Oodua Peoples Congress“ tat dies im westlichen Yoruba-Gebiet; die im Norden lebenden Haussas gründeten den „Arewa Peoples Congress“. Das Verhältnis dieser Organisationen zur Polizei und anderen Staatsorganen war von Anfang an gespalten. Oft wollen die Bürgerwehren gar nichts mit der Polizei zu tun haben. Sie verdächtigen die staatlichen Sicherheitskräfte, selbst gemeinsame Sache mit Räubern zu machen – wofür es auch genügend Beweise und Verurteilungen gibt.

Während die Bakassi Boys im Osten des Landes sich mit Politik und Polizei rasch einig wurden, drängten im Westen um Lagos die Behörden den Oodua Peoples Congress zusehends ins Abseits. Aber OPC-Führer Ganiyu Adams ist beliebt bei den Yoruba, die in dieser Region die Mehrheit stellen. Viele danken ihm, dass er kriminellen Banden die Stirn bietet, während die von Korruption geschüttelte Polizei nur unwillig oder gar nicht handelt. Den schlechten Leumund der Polizei findet Adams auch in seinem Fall bestätigt. Er sieht sich nicht als Krimineller. Die Polizei bezichtigte er, falsche Anschuldigungen gegen ihn zu erheben. Auch sei er misshandelt worden. „Ich bin ein Freiheitskämpfer, und das seit zehn Jahren“, sagte er nach seiner Verhaftung.

Freiheitskampf ist für Ganiyu Adams der Kampf für sein Yoruba-Volk, das im Vielvölkerstaat Nigeria nicht zu seinem Recht komme. Als er dieses Ziel auch militant zu verwirklichen suchte, spaltete er seine Fraktion von dem ursprünglichen Oodua Peoples Congress ab, der als Jugendverband auf politischer Ebene wirken wollte und von Frederick Faseun geführt wird.

Für die einfachen Menschen ist die Verhaftung von Ganiyu Adams mehr als ein politisches Diskussionsthema. Sie setzen auf Bürgerwehren gegen das Banditentum. „Was für ein Staat ist das, in dem die Einzigen, die etwas gegen den Wahnsinn unternehmen, verhaftet werden“, sagt Taxifahrer Ola Adeniran, der schon mehrmals seine Tageseinnahmen abgenommen bekam. „Aber bei dieser Polizei und Regierung wundert mich nichts mehr.“ HAKEEM JIMO