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: Rezession statt Kollaps

Wer Angst hat, spart, lautet ein Lehrsatz der Verbraucherforschung. Deswegen interessieren sich nicht nur die Konjunkturforscher für die Absichten der Konsumenten, sondern auch die Politiker. Das Verbrauchervertrauen bescheinigt ihnen, wie gut oder schlecht sie ihren Job gemacht haben. Ganz grundsätzlich demonstriert ein steigender oder fallender Index, für wie sicher die eigene Lebensplanung gehalten wird. Kommt eine aktuelle Bedrohung hinzu, kann ein solcher Index dramatisch nach unten ausschlagen. Damit wird er die in Kaufwünsche geronnene Krisenbewältigung, die ökonomische Antwort des Wählers auf die politische Frage der Gewählten: Machen wir das richtig für euch?

Kommentarvon DIETMAR BARTZ

Ja, lautet die Antwort der US-Verbraucher für den Monat September. Der Index, auf den Finanzmärkten in den letzten Tagen als Schicksalswert der Nation gehandelt, ist zwar um knapp 20 Prozent gefallen. Er rutschte aber nicht ins Bodenlose, sank nur so stark wie schon einmal zum Ausbruch des Golfkrieges vor zehn Jahren – und prozentual nicht einmal so sehr wie sein großer Bruder von der Börse, der Dow-Jones-Index. Prompt stiegen nach der Veröffentlichung die Aktienkurse wieder.

Es wird also weiterkonsumiert, wenn auch weniger als zuvor, ist die Botschaft – und wenn weitergekauft wird, sind zumindest die Grundfesten der Wirtschaft nicht erschüttert. In den USA, zeigt sich darin auch, ist fast jede Art der kurzfristigen, individuellen Krisenbewältigung produktiv. Konsum aus Patriotismus mag eine Randerscheinung bleiben, aber selbst Konsumverzicht trägt gerade jetzt zur wirtschaftlichen Stabilisierung bei. Denn das Wort vom konjunkturzersetzenden Angstsparen ist zwar richtig. Aber auch das schiere Aufhäufen von Dollars stabilisiert die Volkswirtschaft, nämlich die angeschlagenen Banken. Die Apokalyptiker der letzten beiden Wochen, die einen Kollaps erst der US- und dann der Weltwirtschaft befürchtet haben, müssen sich nach neuen Verbündeten umsehen – die Verbraucher jedenfalls haben sich fürs Weitermachen entschieden. Und das ist in einer Volkswirtschaft, in der der private Verbrauch eine Schlüsselgröße darstellt, ein mächtiges Votum.

Das Dankeswort an die Regierung in Washington hat jedoch eine Schattenseite: Statt für den Kollaps haben sich die Verbraucher wohl für die Rezession entschieden. Und die wird umso tiefer, je länger die derzeitige Unsicherheit um die militärische Reaktion der USA und deren Folgen anhält. Ohnehin hatten Konjunkturforscher einen baldigen Wachstumseinbruch vorausgesehen. Nun ist sicher, dass er von der Konsumseite her erfolgen wird. Hinzu kommen die direkt oder indirekt durch die Anschläge vom 11. September verursachten Kosten einschließlich der Massenentlassungen bei den Luftlinien, im Tourismus und in der Flugzeugindustrie.

Damit sind weder die US-Regierung noch die US-Wirtschaft über den Berg. Ganz im Gegenteil: Die anstrengendste Passage kommt für beide noch.