Überzeichnete Männlichkeit

Es sind die Handys, die immer wieder in Schlüsselszenen auftauchen: Beim aktuellen Hongkong-Filmfestival, das im Rahmen der Asien-Pazifik-Wochen im Arsenal stattfindet, heißen die Konstanten Mobiltelefone einerseits und Francis Ng andererseits

von TOBIAS RECKLING

Ein Déjà-vu hat man des Öfteren beim Hongkong-Filmfestival, das im Rahmen der Asien-Pazifik-Wochen im Arsenal stattfindet. Nicht nur dass in gleich vier der 14 Filme der Schauspieler Francis Ng zu sehen ist, es sind vor allem Handys, die immer wieder in Schlüsselszenen auftauchen. Diese sind heute eigentlich keine Besonderheit mehr, schon gar nicht in Hongkong. Doch statt bloßes Kommunikationsmittel zu sein, dienen die Handys in den meisten Filmen tatsächlich zur Charakterisierung der Sprechenden.

So lernt man die fünf Leibwächter in Johnnie Tos herausragendem Actionfilm „The Mission“ nur über ihre Telefonate kennen. Zu sagen haben sie sich wenig, waren sie doch unabhängig voneinander nur zu dem Zweck angeheuert worden, gemeinsam einen Triadenboss zu beschützen. So wird zwischen den einzelnen, perfekt choreografierten Schießereien meist geschwiegen, mit den Waffen gespielt oder eben telefoniert. Nur die Telefonate geben Aufschluss über die Vergangenheit der Einzelnen.

Erst nach und nach verschwindet die anfänglich glorifizierte Härte der Hauptdarsteller. Geradezu befremdlich wirken dabei die Szenen, in denen sie sich vor und nach den Schusswechseln plötzlich mit Scherzzigaretten und Papierbällen die Zeit zu vertreiben beginnen. Der Kontrast zwischen überzeichneter Männlichkeit und Kinderspielen ist aber ebenso stimmig wie die Ergänzung der fehlenden Dialoge durch Musik. Am Ende dann telefonieren die Leibwächter nicht nur miteinander, sondern sie stellen die inzwischen gewachsene Freundschaft über die zuvor alles bestimmenden Triadengesetze.

Harte Kontraste zeichnen auch Wilson Yips Film „Bullets Over Summer“ aus. Ein harter, erfahrener Bulle (Francis Ng) bringt mit seinem jugendlichen Partner, der im Laufe des Films erwachsen wird, einen verdammt bösen Verbrecher zur Strecke. Das kennt man alles schon zur Genüge, doch Yip geht sehr spielerisch mit diesem klassischen Sujet um. Er lässt seinen Film in Slapstick abgleiten, ist dann ernst, dann wieder albern. Da landen die beiden Polizisten nicht nur zu Überwachungszwecken in der Wohnung einer durchgedrehten, alten Frau, die in ihnen ihre verlorenen Enkel wiederzuerkennen meint, sondern sie finden sich auf einmal sogar beim gemeinsamen Mittagessen mit den gesuchten Verbrechern wieder. Gleichzeitig geht es aber auch um Einsamkeit. Um die der alten Frau, die einst von ihrem Mann verlassen wurde; um die einer schwangeren Waschsalonbesitzerin, auf deren Handy (!) nur zwei Telefonnummern eingespeichert sind: „Business“ und „Mother“.

Ganz ohne Francis Ng, aber nicht ohne Handys, kommt Fruit Chans schöner Film „Durian, Durian“ aus. Im Zentrum steht das Schicksal zweier illegal in Hongkongs Rotlichbezirk lebender Festlandchinesinnen. Ihre einzige Verbindung ist die immer wieder auftauchende Durian, eine schmackhafte, aber stinkende Riesenfrucht, und die Tatsache, dass beide Hongkong verlassen.

Die eine, fast noch ein Kind, wird mit ihrer Familie nach einer Polizeikontrolle ausgewiesen und kehrt unschuldig, wie sie gekommen ist, in ihre Heimat zurück. Die andere geht, von Hongkong und ihrem Leben als Prostituierte enttäuscht, freiwillig; doch auch in ihrer Heimat findet sie sich nicht mehr zurecht. Das Elend der chinesischen Provinz unterscheidet sich nur wenig von dem Elend in der Großstadt. Von Anrufen auf ihrem Handy immer wieder an Hongkong erinnert, besteht ihr Leben nur noch aus Vergangenheit.

Do., 19.00 Uhr: „Little Cheung“; 21.15: „Bullets Over Summer“. Fr., 19.00 Uhr: „Swordsman“; 21.15 Uhr: „Durian, Durian“. Sa.: 21.30 Uhr „The Mission“Kino Arsenal, Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin