Wenn Nixen Umweltsongs rappen

Bei der europäischen Trickfilm-Messe „Cartoon Forum“ haben es vor allem eigenwillige und mutige Produktionen schwer, Geldgeber innerhalb und außerhalb des eigenen Landes zu finden. Der Mainstream, nämlich niedliche Tierabenteuer, siegt

aus Garmisch CAROLA RÖNNEBURG

Am Ende steht, wie immer, die Erfolgsmeldung: „Rekordbeteiligung beim 12. Cartoon Forum 2001“, heißt es in einer Mitteilung, die während der abschließenden Pressekonferenz in Garmisch-Partenkirchen verteilt wird. Zum ersten Mal seien über 700 Teilnehmer aus ganz Europa angetreten.

Das Cartoon Forum ist eine Trickfilmmesse, die jedes Jahr im September in einer anderen europäischen Kleinstadt abgehalten wird. Über drei Tage hinweg versuchen Trickfilmstudios, in 40-minütigen Präsentationen Investoren und Fernsehsender von ihren so genannten Projekten – überwiegend Zeichentrickserien für das Kinderprogramm – zu überzeugen. Seit 1991 geht das so, und die Absicht hinter dieser mit EU-Mitteln geförderten Veranstaltung war es, dem einst sehr kleinen europäischen Trickfilmmarkt auf die Sprünge zu helfen: sender- und länderübergreifende Koproduktionen sollten so entstehen, den US-amerikanischen Serien Konkurrenz gemacht werden.

Wer aber französische, deutsche und englische Geldgeber gleichermaßen für seine Arbeit interessieren möchte, kann beileibe nicht machen, was er will. Frankreichs Canal + etwa sucht für sein Programm „starke, lustige Geschichten mit originellem grafischem Design für Jugendliche und Erwachsene“. Das ZDF will allein sein Kinderprogramm mit „Humor und Fantasie“ bestücken und schließt dabei Action-Serien explizit aus. BBC Animation wiederum koproduziert Familientaugliches, die Verantwortlichen legen Wert auf „mainstream animation“. Darüber hinaus mögen die Fernsehsender ihrem Publikum nichts allzu Fremdes zumuten: Den Entwicklern einer Serie, in der – o Graus – eine Möwe, ein Seelöwe und eine Meerjungfrau Umweltsongs rappen, wurde während der Präsentation nahe gelegt, ihren Titel zu ändern: „Anima Baltic“ sei zu speziell. Anders gesagt: Die Ostsee verkauft sich nicht am Mittelmeer. Auch darüber, was eigentlich komisch, unterhaltend oder spannend ist, herrschen im angeblich zusammenwachsenden Europa große Meinungsverschiedenheiten. Während sich deutsche Investoren offenbar sehr für die „Baron Münchhausen“-Adaption des Berliner Studios Ellipse interessierten – einem schlampigen Trailer zum Trotz –, blieb die englische Firma „The Consortium of Gentlemen“ zum zweiten Mal auf einem Cartoon Forum ohne deutsche Besucher – und das, obwohl sie erneut mehrere Minuten handwerklich perfekter und dennoch außergewöhnlich unkonventioneller Puppenanimation zeigte.

Je eigenwilliger die Produktion, umso geringer ist ihre Chance, Finanziers außerhalb des eigenen Landes zu finden. Entsprechend sind in der „erfolgreichen Geschichte des Cartoon Forums“ viele flache, banale Trickgeschichten entstanden oder aber, im besten Fall, niedliche Tierabenteuer für das Vorschulprogramm.

Den Studios kann man es fast nicht verdenken, immerhin kostet sie die Teilnahme an den verkaufsfördernden Maßnahmen zwischen 100.000 und 500.000 Mark. Nur ein gutes Drittel der im Forum vorgestellten Projekte wird jedoch später tatsächlich produziert. Zur europaweiten Ausstrahlung kommt, was Fernsehredakteure verschiedener Länder für massenkompatibel halten. Für das deutsche Programm bedeutet das, dass Kinder weiterhin ohne qualitativ hochwertige englische Produktionen wie „Rex the Runt“, den flachsten Hund der Welt“, auskommen müssen, niemals etwas Schönes wie die anarchistischen „Thingies“ und erst recht keine Kurzfilme sehen werden. Das Cartoon Forum aber wird weiter bestehen, obwohl es die Entwicklung des europäischen TV-Trickfilms schädigt.