Der romantische junge Mann

Hier das Ich, dort die Welt, dazwischen der Riss: Maximilian Hecker schwankt auf seinem ersten Album „Infinite Love Songs“ zwischen Weltschmerz und Ironie. Er singt sehnsüchtige Lieder, die zu Herzen gehen, die man aber auch Kitsch nennen darf

von JANA SITTNICK

Er ist jung, intelligent und macht gute Musik. Er spielt mehrere Instrumente, schreibt seine Songs selbst und trägt sie auch gern vor. Er hat eine moderne John-Lennon-Liam-Gallagher-Frisur, ein erstes Album auf dem Markt und eine Geschichte, die sich in den Medien gut macht. Und er weiß sich in Szene zu setzen. Nachwuchspopstar Maximilian Hecker sagt, dass er eine „diffuse Sehnsucht nach Erlösung“ spürt.

Das klingt tief schürfend, aber nicht ganz taufrisch. Die frühmodernen Romantiker befassten sich mit der Distanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit, poetisierten ihre Entfremdungserfahrung. Hier das Ich, dort die Welt, dazwischen der Riss. Was bleibt, ist Traurigkeit, die sich an sich selbst berauscht. Hecker meint, man brauche das, um gute Lieder zu schreiben. Lieder, die zu Herzen gehen. Hecker liebäugelt mit der Maske des bleichen Jünglings, der mit wunder Seele durch die Welt geht und sich zurückwünscht in den Mutterbauch. „Eigentlich wollen das doch alle“, sagt der 24-Jährige, „auch die Coolen. Die kann man prima verarschen mit meiner Musik. Wenn die das hören, finden sie es nämlich auch schön.“

Hecker ironisiert das Pathos des Weltschmerzes ebenso wie das der Abgeklärtheit. In beidem ist er zu Hause. Heckers erstes Album, produziert von „2raumwohnung“-Tommy Eckart, heißt „Infinite Love Songs“ und versammelt 12 anrührend traurige Gitarrenpopstücke. Die getragenen Melodien – Hecker nennt sie „kapitulativ“, von oben nach unten gehend – gleiten in die Gehörgänge, evozieren eine unbestimmte Wehmut und rhythmisieren ein narzisstisches Leiden am Alltag, ohne suizidgefährdend zu sein. Säuselnd, jammernd, jauchzend singt Hecker in surrealer Textcodierung von Liebe und Verlassensein, von Traumbildern. Du darfst auch Kitsch dazu sagen. „Cold wind blowing“, sein Beitrag zum „Alaska.de“-Filmsoundtrack, überrascht mit einer heftigen Gitarre nach elegischem Abgesang. Das ist verwirrend, und man weiß nicht, ob man ins Taschentuch schnäuzen oder das Haupthaar schütteln soll. „Manchmal, im Kino, weine ich auch“, sagt der zarte, junge Mann mit unbewegter Miene, „wenn es geklappt hat, mit Happyend und so. Dann möchte ich nur noch hinter die Leinwand steigen und wäre mit im Glück.“ Dann hätte all der traurige Spaß jedoch sein Ende: Heckers Musizieren und unser Hörgenuss auch.

Sein eigentlicher Plan, so der Pressetext der Plattenfirma, sei es, das Lied zu schreiben, „nach dessen Hören man stirbt (. . .), weil es so gewaltig schön ist.“ Klingt pubertär und irgendwie geschmacklos. „Das habe ich übrigens selbst geschrieben, das soll man nicht so ernst nehmen.“ Maximilian Hecker switcht zwischen jungenhafter Verunsicherung und gnadenloser Selbstüberschätzung hin und her, umgeht Imagedefinitionen, möchte mit seinen Bemerkungen überraschen.

Man weiß nicht so recht, ob er ein gerissener Spieler im Umgang mit Identitäten ist oder einfach sehr jung. Es ist amüsant, wie er blitzartig die Diskursebenen wechselt, erst brav seine musikalischen Vorbilder nennt – Beatles, Melanie, Radiohead –, um dann zu wünschen, dass „sich der Abstand zwischen mir und ihnen irgendwann aufhebt“.

Hecker spielt Gitarre, Schlagzeug, Drumcomputer, Keyboard und singt. Auf der Bühne, meint er, kann er tun, was er will. Aufgeregt sei er nicht. „Ich habe nie das Gefühl, dass es eine Rechtfertigungsgrenze gibt für das, was ich tue.“ Den sagenhaften Adrenalinkick hätte er nur einmal gehabt, während eines 12-Minuten-Schlagzeugsolos beim Konzert der Schulband: „Da riefen alle Maxi, Maxi – das war toll!“

Vor drei Jahren kam Hecker von München nach Berlin. Vor zwei Jahren stand er mit Gitarre und Verstärker am Hackeschen Markt, spielte Stücke von Beck und Tocotronic nach und wollte angesprochen werden. Sonst, so beteuert er heute, fehlte es ihm an nichts. „Ich hab auch bei minus zehn Grad gespielt, mir war immer warm beim Singen, weiß auch nicht, warum“, sagt er achselzuckend, „außerdem kamen da immer Prominente vorbei.“ Alles war Verheißung. Vor dem Café Rosenthal sprach ihn jemand vom TV an. „Der lud mich zur Party ein, da sollte ich den Minnesänger machen.“

Hecker ging öfter mit, traf Tommy Eckart und Inga Humpe. Mit Kitty-Yo-Chef Patrick Wagner spielte er im Sommer darauf Fußball. Ein halbes Jahr später gab er seine Demotapes in der Plattenfirma ab. Es läuft gut für Maximilian Hecker. Nur eines fehlt dem Mann: die krasse Kinderstube. „Richtige Weltstars kommen aus zerrütteten Familien“, weiß Hecker, „deren Eltern haben doch schon Drogen genommen.“ Er selbst ist bei Hannover aufgewachsen, lernte Blockflöte als Siebenjähriger, dann Klavier auf Wunsch der Mutter, später Schlagzeug und Pauke, Gitarre und Keyboard. Zivildienst in der Altenpflege. Klingt nicht gerade nach Pop-Roman. Zum Glück kann man sich immer wieder neu erfinden.

Maximilian Hecker: „Infinite Love Songs“ (Kitty-Yo/Efa)