Gemütliches Geldsacksitzen in Gütersloh

Keine „spektakulären Investitionen“, dafür grundsolides Umsatzwachstum: Bertelsmann wird immer größer und verzichtet bei der Vorstellung der Jahresbilanz sogar auf die Ankündigung von Teilmarktführerschaften

BERLIN taz ■ Erinnern wir uns kurz: Von einer prall gefüllten Kriegskasse war im vergangenen Jahr die Rede, von einem „Sack voll Geld“, auf dem die Bertelsmann AG saß, vor allem im Musikgeschäft sollte investiert, die kränkelnde Bertelsmann Music Group (BMG) wieder flott gemacht und die „Teilmarktführerschaft“ erobert werden. Gestern waren in dem Sack immer noch knapp fünf Milliarden Dollar, die für Investitionen zur Verfügung stehen. Und flott gemacht werden soll unter anderem wieder einmal – BMG.

„Da ist keine spektakuläre Großinvestition dabei“, sagte denn auch Bertelsmann-Finanzvorstand Siegfried Luther zum abgelaufenen Geschäftsjahr auf der Wirtschaftspressekonferenz des Konzerns. Vor allem der geplante Aufstieg zur Nummer 1 im globalen Musikmarkt durch die geplante Übernahme von EMI, des größten Musikhauses der Welt, war „Dank der Anti-Trust-Aufsicht in Brüssel“ gescheitert, wie Bertelsmanns Vorstandsvorsitzender Thomas Middelhoff schlecht gelaunt formulierte. Aber hat BMG-Chef Rolf Schmidt-Holtz die angeschlagene Musiksparte immerhin schon so weit „von Altlasten befreit“, dass – dem abwärts weisenden Markttrend zum Trotz – im nächsten Jahr die höchste Umsatzrendite aller Zeiten eingefahren werden soll: „Wir sind sehr optimistisch, dass wir für BMG selbst bei nicht so günstiger Marktentwicklung ein ordentliches Ergebnis erzielen und am Ende sagen können: ‚BMG is back‘“, sagte Schmidt-Holtz.

In allen anderen Bereichen präsentierte Deutschlands größtes Medienhaus grundsolide Zahlen: 20,04 Milliarden Euro Gesamtumsatz (+3,5 Milliarden), 986 Millionen Euro Jahresüberschuss (+296 Millionen) – „gut gerüstet“ für die Zukunft sieht der Konzernchef seinen Laden denn auch und freut sich schon fast über das flaue Börsenumfeld, das seine Mitbewerber zum Teil hart trifft: „Hohe Verluste, hohe Schulden, die andere haben, haben wir nicht“, sagt Middelhoff. Dafür aber nach wie vor den Geldsack, und „da sitzen wir ganz gemütlich drauf“. Investiert werden soll auf jeden Fall auch im TV- und Radio-Bereich, in dem Bertelsmann als Haupteigner der RTL-Group europaweit vorn liegt. Da nun die RTL-Group anders als die Bertelsmann AG wirklich an der Börse notiert ist, müsse er natürlich zu konkreten Plänen und Strategien schweigen, sagt Middelhoff – und hat dabei sichtlich Spaß. Schließlich pokert er offenbar gerade um einen günstigen Einstiegspreis beim Nachrichtensender n-tv: Die angeblich bereits ausgehandelte Übernahme der AOL-Time-Warner-Anteile für rund 75 Millionen Euro durch die RTL-Group sei von der Bertelsmann-Konzernleitung als zu teuer gestoppt worden, meldete gestern die FTD. STG