Weg frei für Unternehmer aus Osteuropa

Selbstständige aus EU-Beitrittsländern dürfen sich schon jetzt frei in der EU niederlassen, entschied der Europäische Gerichtshof. Kleine Einschränkung: Behörden können vorher Business-Pläne prüfen. Arbeitnehmer müssen warten

FREIBURG taz ■ Bürger aus den EU-Beitrittsstaaten genießen heute schon Freizügigkeit, wenn sie sich im EU-Gebiet als Selbstständige niederlassen wollen. Dies stellte gestern der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg klar. Die Mitgliedstaaten dürfen allerdings vor der Einreise prüfen, ob das Gewerbe erfolgversprechend ist.

Konkret ging es um die Auslegung der so genannten Europaabkommen, die die EU Anfang der 90er-Jahre mit den osteuropäischen Beitrittskandidaten geschlossen hat. Dort war zwar keine Freizügigkeit für Arbeitnehmer vereinbart worden, allerdings sollten osteuropäische Unternehmer und Freiberufler künftig wie EU-Bürger behandelt werden. Der EuGH hat daraus geschlossen, dass Selbstständige ein EU-weites „Niederlassungsrecht“ besitzen. Unabhängig vom nationalen Ausländerrecht könnten sie sich „unmittelbar“ auf die Europaabkommen berufen. Die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt der EU-staaten darf ihnen nicht entgegengehalten werden.

Diese Freizügigkeit für Unternehmer und Freiberufler sei jedoch „nicht schrankenlos“ gewährleistet, betont das EU-Gericht zugleich. Sie könne vielmehr durch das Recht der Mitgliedsstaaten ausgestaltet werden, solange die Grundgedanken der Europaabkommen nicht angetastet werden.

In den drei gestern gesprochenen Urteilen ging es jeweils um die Rechtslage in Großbritannien, die aber im Wesentlichen der deutschen entspricht. Mit verschiedenenen Einschränkungen wollte man dort sicherstellen, dass die Freizügigkeit für Selbstständige nicht missbraucht wird, um als Arbeitnehmer Zugang zum normalen britischen Arbeitsmarkt zu bekommen. Diese Zielsetzung hat der EuGH gestern akzeptiert.

Die EU-Staaten dürfen daher vor der Einreise überprüfen, ob wirklich eine selbstständige oder vielleicht doch eine abhängige Tätigkeit ausgeübt wird. Zulässig sind auch Regelungen, die eine ordnungsgemäße Einreise sicherstellen. Wer die Vorabprüfung seines Gewerbes dadurch zu umgehen versucht, dass er erst einmal (visafrei) ins EU-Gebiet einreist und sich dann erst als „Unternehmer“ zu erkennen gibt, kann sich nicht auf die Europaabkommen berufen.

Vor allem letztere Bedingung dürfte die Chancen vieler Immigranten stark reduzieren. In allen drei gestern entschiedenen Fällen waren die Kläger – eine Frau aus Bulgarien, ein Ehepaar aus Polen und zwei Männer aus Tschechien – als Touristen oder Asylbewerber nach England eingereist. Die Art der ausgeübten Tätigkeit, etwa als selbstständige Reinigungskraft, sah der EuGH dagegen nicht als Hindernis an.

Arbeitnehmer aus Osteuropa müssen weiter auf den EU-Beitritt ihrer Heimatstaaten warten, wobei die EU-Staaten ihren Arbeitsmarkt voraussichtlich bis zu sieben Jahren weiter abschotten können. CHRISTIAN RATH