Selbsthilfe im Maisfeld

■ Greenpeace-Aktivisten holen durch Fahrlässigkeit ausgekreuzten Genmais vom Acker. Behörden auf Trab

Über den Felder Nordwest-Niedersachsens ruht noch der Nebel. Am Wegesrand beißt ein verschlafenes Schulkind in sein Frühstücksbrot und glotzt kuhäugig der Fahrzeugkolonne nach, die früh am Morgen durch sein Dorf dröhnt: zwei Container-LKW, ein Pritschenlaster mit einer Ladung Stahlträgern, ein paar kleine Busse und PKW. Ein Greenpeace-Team rollt durch Helvesiek im Landkreis Rotenburg/Wümme.

Sein Ziel: ein Maisfeld, in dessen Mitte die Firma Monsanto ein Versuchsfeld mit genmanipuliertem Mais angelegt hatte. Nach Protes-ten der Anwohnerschaft wurde der Versuch abgebrochen und die etwa zwei Fußballfelder große Fläche gemäht. Doch Stängel an Stängel mit den Manipulanten stand Mais einer auf natürlichem Wege erzeugten Sorte. Eine Analyse dreier Stichproben von diesen Pflanzen bestätigte Greenpeace eine naheliegende Befürchtung: Die manipulierten hatten einige der natürlichen Pflanzen befruchtet und manipuliertes Erbgut eingeschleust.

Ein Greenpeace-Bus blockiert die Zufahrt zum Feld. AktivistInnen in gelben Regenanzügen und Gummistiefeln laden Sicheln und Macheten, Planen, Seile, Eisenstangen, Generatoren und Wasserkanister ab. Sie klopfen dreieckige gelbe Warnschilder in die Erde und beginnen, systematisch die Maispflanzen abzuhacken – wie Zuckerrohrschneider auf Kuba. Nach kurzer Zeit rinnnt der Schweiß.

„Der Gen-Mais der Firma Monsanto ist außer Kontrolle geraten“, begründet Greenpeace-Experte Christoph Then die Attacke aufs Maisfeld. Das Robert-Koch-Institut in Berlin hätte die Anlage des Versuchsfeldes mitten in einem normalen Feld nicht genehmigen dürfen. So seien unkalkulierbare Gefahren fürs Ökosystem entstanden, die von den zuständigen Stellen beseitigt werden müssten. „Wir machen das, was eigentlich die Behörden tun sollten“, wird einer der Greenpeacer später zur Polizei sagen. Denn der gentechnisch verunreinigte Mais darf laut Gesetz weder angebaut noch verfüttert oder gar gegessen werden.

Bis die eigens informierte Polizei eintrifft, wollen die GreenpeacerInnen ein großes gelbes Segel „Achtung! Gen-Mais außer Kontrolle!“ auf dem freien Feld aufstellen. Zu siebenzehnt schleppen sie die langen Stahlträger für den Fuß des Mastes über den morastigen Acker. Mit Vorschlaghämmern treiben Männer meterlange Stahlnägel, die den Fuß und die Spannseile halten sollen, ins Erdreich.

Obwohl der Ablauf durchorganisiert ist, wird es knapp. Doch das Segel steht rechtzeitig, die symbolträchtigen Filmaufnahmen sichelschwingender AktivistInnen sind im Kasten, die Staatsmacht rückt an. Ein einsamer Polizist in Gummistiefeln sagt: „Ich muss das unterbinden!“ Dann sammelt er die Sicheln ein und die Leute beginnen, ganze Pflanzen auszurupfen.

Ein rundes blaues Bäuerchen wackelt übern Acker. Er kommt bloß aus Neugier und beteuert: „Ick häb nix dagegen.“ Wogegen, wird nicht ganz klar. Später kommt der Eigentümer des Maisfeldes und sieht sich kopfschüttelnd die Bescherung an. Landwirte schützten die Natur, sagt er trotzig und überhaupt habe Deutschland die saubersten Lebensmittel weltweit.

Am Nachmittag fischt ein Zug Bereitschaftspolizei die Green-peace–Leute aus dem Maisfeld. Eine Ladung Kolben landet im Container der Polizei. Am Montag sollen sie untersucht werden und die Beteiligten haben doch noch ein ruhiges Wochenende. Gernot Knödler