UÇK-Rebellen erklären Selbstauflösung

In Mazedonien entspannt sich die Atmosphäre. Die albanische Rebellenarmee hat ihre Selbstauflösung verkündet, obwohl ihre Exkämpfer noch immer auf die in Aussicht gestellten Verfassungsänderungen warten

TETOVO taz ■ Freundlich grüßt der mazedonische Grenzbeamte in Jašince, an der Grenze zum Kosovo, mit dem albanischen „Mir Dita“ („Guten Tag“) und nicht wie früher mit dem mazedonischen „Dobar Dan“. Die albanisch sprechenden Beamten, die seit einigen Monaten hier in der Uniform des gemeinsamen Staates Dienst tun, trauen sich in ihrer eigenen Sprache zu sprechen. Das war vor kurzem noch nicht der Fall. Sie nehmen sich einfach das Recht, das erst noch in der Verfassung festgelegt werden soll. Sind die Albaner, trotz der immer noch unsicheren Lage, selbstbewusster geworden?

„Ich weiß nicht“, lächelt ein zweiter Beamter auf Deutsch. Seit Albaner hier an der Grenze stehen, sind Zehntausende Landsleute, die im April und Mai nach Kosovo flohen, über diesen Übergang wieder zurückgekehrt. Und dass Albaner sich hier mit ihren slawisch-mazedonischen Kollegen abwechseln, lässt Hoffnungen aufkeimen, dass noch nicht alle Brücken zwischen den Bevölkerungsgruppen abgebrochen sind. Ihre Anwesenheit an dieser Stelle ist einer der wenig spektakulären Schritte, die aus den Verhandlungen zwischen den slawischen und albanischen Parteien zur Verbesserung der Lage der albanischen Bevölkerung resultierten.

Spektakulär ist die Ankündigung des Führers der UÇK, der albanischen „Nationalen Befreiungsarmee“, Ali Ahmeti, vom Donnerstag, die Organisation aufzulösen. Das möchten die Grenzbeamten jedoch nicht kommentieren. „Politik ist nicht unser Job“, sagen sie und geben die Einreisepapiere zurück.

Die Atmosphäre in Mazedonien hat sich verändert. Albanische Kinder warten an einer Haltestelle auf den Bus nach Tetovo, der später auch slawisch-mazedonische Dörfer passiert. Dort, kaum zwei Kilometer entfernt, sonnen sich mazedonische Polizisten auf den Wiesen. Die Kalaschnikows sind an Baumstämme gelehnt. Noch vor einem Monat kontrollierten die Beamten hier mit der Waffe im Anschlag alle vorbeikommenden Autos.

Auch die Posten der UÇK sind verschwunden. Im gemischten Dorf Dobroste mit 5.000 Einwohnern ist ein bekannter UÇK-Mann in sein Haus an der Straße zurückgekehrt, wo jetzt ab und an Polizisten patrouillieren. Durchtrainierte Männer in Zivil sitzen in Cafes, wo es früher vor Uniformen wimmelte. „Wir haben unsere Waffen abgegeben, wir haben uns wie von der Nato verlangt genau zum Stichtag aufgelöst“, sagt einer der früheren UÇK-Kämpfer.

Eigentlich hätte das Parlament schon die Verfassungsänderungen beschließen müssen, sagen die Exkämpfer. „Nicht einmal die Amnestie für uns ist beschlossen. Man muss zwar etwas Geduld haben, die Mazedonier tun sich schwer. Aber entscheiden müssen sie sich doch.“

Was aber, wenn dies nicht geschieht? Der 60-jährige Bekim F. hat sich lange Jahre ehrenamtlich in der Gemeinde engagiert. Er gehört der Partei DPA des Arben Xhaferi an und sah dem Aufkommen der UÇK mit gemischten Gefühlen entgegen. Doch jetzt ist er davon überzeugt, dass es richtig war, die Waffen zu ergreifen. „Wir hätten lange reden können und hätten nichts für uns erreicht.“ Wenn die Mazedonier auch jetzt noch hart blieben, müssten die Albaner wieder kämpfen. „Ich darf das zwar nicht sagen, das sollten die Kommandanten tun, aber dann entsteht eine schwierige Situation.“ Noch deutlicher wird Isen P. aus dem Nachbardorf. „Wenn die Polizei hier wieder auftaucht, muss sie mindestens zur Hälfte aus Albanern bestehen.“ Hier in dem gemischten Dorf gab es im Juli noch schwere Kämpfe. „Damals hielten sich die Polizisten nicht an die Abmachungen mit der UÇK und schossen wild um sich. Diese Leute können nicht einfach zurückkommen.“

Sollten die Verfassungsänderungen das Parlament noch passieren, droht aber genau dies. Denn dann wird die Polizei befugt sein, in alle Gebiete zurückzukehren, auch in die Polizeistation von Tearce. „Wie sollen wir diesen Leuten vertrauen, wenn sie einfach in mein Haus kommen oder einen Nachbarn verhaften?“, fragt ein Mann aus einem Vorort Tetovos. Die internationalen Beobachter würden erst dann zur Stelle sein, wenn es Tote gäbe. Die UÇK ist tot, doch sie lebt weiter. „Wir alle sind die UÇK“, sagt Isen. Sollte es zum Schlimmsten kommen, „werden wir wieder kämpfen. Verhaften sie einen, dann verhaften wir eben zehn von ihnen. Dann möchte ich sehen, was passiert.“

Der Bus aus Ješince hat inzwischen Tetovo erreicht. Die Menschen sind froh, wieder mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt zu kommen. Sie sprechen in beiden Sprachen. Die Geschäfte sind wieder geöffnet, in den albanischen, den mazedonischen und den gemischten Stadtteilen gleichermaßen.

ERICH RATHFELDER