Wissen über Islam ist mangelhaft

Ausländerbeauftragte setzt sich für eine „Einbürgerung des Islam“ ein: Repräsentanten der Muslime seien zu einem intensiven – und ehrlichen – Dialog aufgefordert. Deutsche sollen gegenüber 3,2 Millionen muslimischen Bürgern mehr Offenheit zeigen

von JEANNETTE GODDAR

Wenn es nach der Bundesausländerbeauftragten Marieluise Beck (Grüne) geht, wird der Islam künftig stärker als bisher Bestandteil der Bundesrepublik sein: „Der Islam muss eingebürgert werden“, forderte sie gestern anlässlich eines Hintergrundgesprächs mit Vertretern der Muslime und Wissenschaftlern in Berlin. Nur wenn es gelinge, einen „eigenständigen europäischen Islam“ zu etablieren, stelle sich nicht mehr permanent die Frage nach der Vereinbarkeit von Religion und so genannten „westlichen Werten“.

Beck forderte die Vertreter der Muslime auf, sich an der Gestaltung eines konstruktiven Dialogs über die künftige Rolle des Islam zu beteiligen – aber auch, mit offenen Karten zu spielen: „Ohne Transparenz geht das nicht; wir wollen wissen, welche Organisation zu welchen Personen und in welche Länder Kontakte hält.“ Auch die islamischen Repräsentanten seien gefordert , „Unsicherheit und Ressentiments in der Bevölkerung“ durch Offenheit zu begegnen.

Eine klare Absage erteilte Beck radikalen islamistischen Organisationen: Diese müssten viel stärker als bisher „mit geheimdienstlichen Mitteln infiltriert werden. In der Vergangenheit ist da einiges versäumt worden.“

Herbe Kritik äußerte die bündnisgrüne Ausländerbeauftragte auch an dem mangelnden Interesse der deutschen Mehrheitsgesellschaft an ihren 3,2 Millionen muslimischen Mitbürgern. Es gäbe zu wenige Kenntnisse über den Islam; auch die breit geführten Debatten wie der Streit um das Tragen eines Kopftuchs im öffentlichen Dienst hätten sich vor allem „an symbolischen Fragen“ orientiert: „Die wesentliche Frage muss doch lauten: Wer ist der Mensch hinter dem Kopftuch?“ Und: Wer erwarte, dass Immigranten sich nicht abschotteten, müsse sich auch für ihre Anliegen öffnen.

Nur in offenen Gesellschaften würden Neuankömmlinge sich nicht zurückziehen, so Beck. Konkret forderte sie, auf kommunaler Ebene Anlaufstellen zu gründen, die beispielsweise bei einem geplanten – und immer umstrittenen – Bau einer Moschee und eines islamischen Friedhofs konsultiert werden könnten.

„Mit Hochdruck“ solle auch die Einrichtung von Lehrstühlen für islamische Religion vorangetrieben werden, um sicherzustellen, dass in Deutschland ausgebildete Lehrer Islamkunde unterrichten könnten.

Für den Zentralrat der Muslime erklärte Aima Mazyek, dass es „allerhöchste Zeit sei“, dass die Muslime in Deutschland ihren Platz ein- und ihre Rechte wahrnehmen. Ein Antrag auf den Bau einer Moschee werde häufig immer noch so behandelt, als wollte man „mitten in der Stadt ein Atomkraftwerk errichten“.

Vom Schächten bis zum Religionsunterricht trage man „seit Jahren eine ganze Reihe von Problemen vor uns her“. Der Zentralrat stehe „für die Integration der Muslime ein“ und sei zu einem „intensiven Dialog“ bereit.

Für einen Dialog mit dem Islam sprachen sich gestern auch die katholischen Bischöfe aus. Muslime müssten in Deutschland ihrem Glauben entsprechen leben können, heißt es in der Abschlusserklärung ihrer Herbst-Konferenz in Fulda. Allerdings dürften nach den Anschlägen in den USA auch kritische Fragen nicht ausgeklammert werden: „Wir müssen uns ehrlich und in gegenseitigem Respekt sagen, wie wir zueinander stehen.“